Vorhand mit geradem Arm - Segen oder Fluch?
Einige der besten Spieler der Tour spielen ihre Vorhand mit geradem Schlagarm im Treffpunkt. Nadal und Verdasco spielen (fast) ausschließlich mit dieser Technik. Roger Federer nutzt sie bei einem bestimmten Prozentsatz seiner Schläge. Alle drei verfügen über herausragende Vorhände. Doch was bedeutet das für Bastian Ballschubser, den Freizeitspieler? Sollten sich auch durchschnittlich Begabte an dieser Variante der Vorhand probieren? Oder richten wir damit nur Schaden an? Hierzu ein paar Gedanken.
Die Schulterrotation
Bei Spielern, die mit geradem Arm schlagen, sind die Schultern im Treffpunkt im Wesentlichen parallel zum Netz (manchmal rotieren sie sogar noch etwas weiter). Das ergibt auch Sinn, ihr könnt es selbst ausprobieren: Es ist schwierig bzw. unmöglich, den für diese Armhaltung typischen extremen Treffpunkt zu erreichen, wenn die Schultern bis zum Treffpunkt nicht mindestens 90 Grad rotieren.
Der Treffpunkt geschieht ungefähr in der Mitte des Rotationsprozesses. Die Schultern rotieren etwa 90 Grad bis zum Treffpunkt und anschließend weitere 90 Grad bis zum Schlagende.
Die Frage für uns Freizeitspieler lautet: Können wir unseren Torso in der gleichen extremen Weise rotieren? Ohne diese massive Rotation ist es unmöglich, den extremen Treffpunkt zu erreichen. Man bedenke: Je umfangreicher die Bewegung, umso schwieriger ist das Timing und die Kontrolle. Außerdem wird mehr Kraft verbraucht. Können wir die extreme Rotation wirklich kontinuierlich in unseren normalen Schlagablauf integrieren?
Der Stand
Das bringt uns zum Stand. Profi-Spieler schlagen die Mehrzahl der Bälle mit einer Version des offenen Stands. Das hängt mit dem Griff, aber auch mit der Höhe des Ballabsprungs zusammen. Der Ballabsprung ist aufgrund des enormen Topspin-Anteils so hoch, dass es äußerst schwierig ist, den Schritt nach vorne zu machen und aus dem seitlichen (neutralen) Strand zu schlagen. Stattdessen explodieren die Spieler nach oben, um die Treffpunkthöhe zu kontrollieren und den Ball in ihrer "Wohlfühlzone" zu spielen. Der offene Stand ist ideal geeignet für die extreme Torso-Rotation, die wir bei der Vorhand mit geradem Schlagarm sehen.
Die Spieler haben Probleme mit tiefen Bällen, bei denen sie gezwungen sind, den Schritt ins Feld zu machen. Damit ihre Torso-Rotation nicht blockiert wird, müssen sie ihren vorderen Fuß mitten im Schwung anheben und nach links zur Seite bewegen. Nur so können sie ihren Oberkörper ungehindert rotieren. Gewöhnlich fällt die Rotation in diesen Fällen etwas geringer aus und die Schläge sind nicht so explosiv, als wenn die Spieler in der Luft sind und vollständiger rotieren können.
Mangel an Flexibilität
Auch Spieler, die mit der "double-bend" Technik spielen, können die extreme Körperrotation aufweisen. Djokovic ist ein Beispiel hierfür, genau wie Roddick und praktisch alle anderen Topspieler, zumindest in bestimmten Situationen. Mit dem "double-bend" hat man jedoch eine größere Flexibilität. Diese Spieler können – auch wenn dies heutzutage selten geschieht – den seitlichen Stand und eine weniger extreme Rotation nutzen und immer noch ihren natürlichen Treffpunkt erreichen. Beispielsweise, wenn der Ball eher tief und mit wenig Geschwindigkeit ankommt, und der Treffpunkt zwischen Hüfte und Oberkörpermitte liegt. Dies ist die typische Absprunghöhe auf Freizeitlevel. Die Gesamtmenge an Rotation ist in diesem Fall nur etwa 90 Grad, die Schultern sind am Schlagende parallel zum Netz und rotieren nicht weiter. Beachtet: Der Treffpunkt liegt trotzdem ziemlich genau in der Mitte des Rotationsprozesses; er geschieht, wenn die Schultern ca. zwischen 45 und 60 Grad zum Netz sind.
Die "double-bend" Technik ist sehr flexibel in dieser Hinsicht. Man kann mit ihr einen perfekten Vorhand-Drive aus dem seitlichen Stand spielen. Wenn der Ball höher ist, kann man mit ihr problemlos aus dem offenen Stand spielen und den Umfang an Torso-Rotation sogar noch vergrößern. Letzteres ist allerdings eher eine Option, denn eine Notwendigkeit. Wenn ihr diese Option nutzen wollt, solltet ihr die Grundelemente der Vorhand allerdings sicher beherrschen. Ansonsten gilt: Einfachheit ist besser!
Fazit
Jeder Spieler sollte sicherstellen, dass die von ihm verwendete Technik seinen Fähigkeiten und seinem Spielniveau entspricht. Die Vorhand mit geradem Arm ist meiner Meinung nach aus den oben genannten Gründen nur für Fortgeschrittene und technisch äußerst versierte Spieler empfehlenswert.
Welche Variante nutzt ihr? Gerader Schlagarm oder "double-bend"? Worin seht ihr die Vor- bzw. Nachteile der beiden Varianten?
Spindoctor
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