Zutaten eines guten Kick-Aufschlags - Am Beispiel Roger Federers
Warum gerade der Kick?
Der Kick-Aufschlag ist als Variante für den zweiten Aufschlag äußerst effektiv. Der Ball überquert das Netz mit sicherer Höhe und stellt den Returner aufgrund des hohen Ballabsprungs vor unangenehme Probleme. Eine offensive Antwort auf den Kick ist kaum möglich, der Return ist schwer zu timen. Der Kick eignet sich auch, um ans Netz zu kommen, da er aufgrund der hohen Flugkurve mehr Zeit verschafft. Letztlich ist ein effektiver Kick auch ein gutes Mittel zur Variation, damit der Gegner keinen Rhythmus bekommt.
Einen der besten Kick-Aufschläge aller Zeiten hatte Pete Sampras. Seine Kombination aus Geschwindigkeit und Spin war einmalig. Pete servierte mit deutlich mehr Topspin als andere Spieler, die vergleichbar hart aufschlugen. Im heutigen Tennis hat vermutlich Roger Federer den besten zweiten Aufschlag.
Was sind die Schlüsselfaktoren, um den Kick erfolgreich zu spielen? Was sind die größten Mythen? Und ist die Technik im Vergleich zum ersten Aufschlag fundamental anders? In diesem Thread analysieren wir den Kick von Roger Federer, um diesen und anderen Fragen auf den Grund zu gehen. Viel Spaß!
Man schwingt beim 2. Aufschlag doch langsamer, oder???
Ich stelle meinen Schülern hin und wieder diese Fangfrage. Fast immer bekomme ich die Antwort "ja". Es erscheint meinen Schülern auf den ersten Blick logisch, dass man langsamer schwingen muss, um Konstanz und Sicherheit zu gewinnen. Ich erinnere sie dann daran, dass ich mit Topspin höher übers Netz spielen kann und den Ball dennoch ins Feld bekomme. Anschließend frage ich sie: Muss ich nun schneller oder langsamer schwingen, um mehr von diesem heilbringenden Spin zu bekommen?
Meistens fällt der Groschen dann. Wenn man mehr Spin bekommen will, muss die Schlägerkopf-Geschwindigkeit im Treffpunkt höher sein als beim flachen Aufschlag. Der Topspin ist es, der den Ball nach unten ins Feld drückt. Eine Menge Amateure denkt und macht jedoch das Gegenteil. Sie verlangsamen den Schläger und reduzieren damit ihren Topspin-Anteil. Autsch!
Schneller schwingen, aber wie?
Der Schlüssel für eine hohe Beschleunigung des Schlägers zum Treffpunkt ist der richtige Einsatz des Körpers. Je stärker wir unsere Muskeln im Rückschwung vordehnen, umso stärker können wir im Aufschwung aufdrehen. Und umso mehr kann der Schläger beschleunigen. Zusammen mit der richtigen Schwungrichtung bekommt man den Kick.
Der letzte Satz ist wichtig. Man muss mit dem Körper und dem Schläger in die richtige Position gelangen, um die ganze Energie zum Ball zu bringen. Andernfalls kann man den Schläger so schnell schwingen wie man will und es passiert nichts. Worauf kommt es also an? Wie sieht gute Haltung aus? Werfen wir im Folgenden einen Blick auf Roger Federer.
1. Griff
Für den Kick-Aufschlag empfiehlt sich mindestens ein Kontinental-Griff (Zeigefingerknöchel und Kleinfingerballen auf Fläche 2). Für noch mehr Spin kann man die Hand nach links an die Griffoberseite verschieben, also zum Eastern-Rückhandgriff. Entscheidet selbst, womit ihr euch wohler fühlt. Federer serviert mit dem Kontinental.
2. Ballwurf
Federer platziert den Ball für den Kick-Aufschlag etwas weiter links, sodass sein Treffpunkt über dem Kopf sein wird. Der Ball ist auch etwas weiter hinten als beim ersten Aufschlag. Diese Platzierung ist wichtig, um den Ball von links unten nach rechts oben schlagen zu können.
Es ist sogar möglich, den Ball innerhalb der Grundlinie zu platzieren. In diesem Fall muss man sich allerdings auch in den Platz hinein abdrücken, um im Treffpunkt unter dem Ball zu sein. Dadurch wird der Schlag aggressiver, aber auch schwieriger zu timen.
3. Kniebeuge
Roger senkt seinen Körper nach unten ab, indem er in die Knie geht. Weil sein Stand so breit und seitlich zum Netz ist, bringt ihn die Kniebeuge nach links unten, direkt unter den Ball. Hüfte und Schultern sind vollständig gedreht, wobei die Schulterdrehung etwas über die Hüftdrehung hinausgeht. Dadurch entsteht eine Verwringung im Oberkörper. Seine Muskeln sind ideal vorgedehnt, um durch Rotation zum Treffpunkt viel Energie freizusetzen.
Wenn die Knie durch die Beugung nach vorne gehen, neigt sich der Oberkörper automatisch etwas nach hinten, um im Gleichgewicht zu bleiben. Dabei hat Federer den Rücken nicht gekrümmt. Seine Wirbelsäule ist von der Taille aufwärts komplett gerade. Das ist wichtig. Sein Gewicht liegt gleichmäßig verteilt auf beiden Fußballen. Sein linker Arm hat sich vollständig nach oben ausgestreckt und die Schlägerspitze zeigt nach oben.
4. Racket-Drop
Neben dem Treffpunkt die wichtigste Position überhaupt! Federers Schläger fällt rechts vom Körper nach hinten. Dabei gelangt sein Ellenbogen nach oben. Der Schläger erreicht eine tiefe Position hinter seinem Rücken. Aus dieser Position kann er das Racket optimal zum Ball beschleunigen.
Seine Beine haben sich gestreckt und ihn nach oben getrieben. Sein linker Arm bleibt deutlich oberhalb der Taille. Wenn er ihn zu früh zu tief runterzieht, wird der Oberkörper meist mit nach unten gezogen. So aber bleibt die linke Körperhälfte wunderbar oben, während die rechte Schulter sich über die linke Schulter nach oben bewegt.
5. Streckung im Ellenbogen
Im nächsten Schritt streckt er den Schlagarm vollständig durch. Der Schläger ist immer noch in der selben relativen Position zum Unterarm wie im Bild zuvor. Lediglich der Ellenbogen wurde durchgestreckt. Achtet darauf, wie sich der Schlägerkopf dem Ball von links nähert. Das ist beim Kick-Aufschlag entscheidend.
In der rechten Bildhälfte seht ihr einen flachen Aufschlag: Der Schlägerkopf schwingt viel mehr von hinten und mit dem Rahmen voraus zum Ball. Beim Kickaufschlag kommt der Schlägerkopf deutlich weiter von links und die Saiten zeigen fast komplett zum Netz. Dieser diagonale Schwung von links unten nach rechts oben ist für die Kreation des Topspins unmittelbar verantwortlich.
6. Rotation des Schlagarms
Sobald der Ellenbogen durchgestreckt ist, beginnt sich Federers Arm gegen den Uhrzeigersinn zu drehen. Er ist dabei sehr locker im Arm und im Handgelenk. Die Drehung (Pronation) geht hauptsächlich von der Schulter aus, zusätzlich aber auch vom Unterarm. Das erhöht den Spin.
Die Rotation setzt sich auch nach dem Treffpunkt fort und dreht die Fläche, mit der er den Ball getroffen hat, nach außen. Vergleicht Unterarm und Hand. Vor dem Treffpunkt seht ihr die Oberseite des Unterarms und die Fingerknöchel, nach dem Treffpunkt seht ihr die Unterseite des Unterarms und die Handinnenseite. Daran erkennt ihr die Drehung, die stattfand.
7. Treffpunkt
Federer trifft den Ball bei voller Körperstreckung. Sein rechtes Bein ist hinter dem linken geblieben und nicht nach vorne rumgekommen. Das ist wichtig. Andernfalls ist der Körper im Treffpunkt zu frontal zum Netz. Ist man zu offen im Oberkörper, kann man nicht nach oben und nach rechts schwingen (das ist ohnehin schon schwierig genug). Von den Balanceproblemen ganz zu schweigen.
Achtet auch auf den linken Arm, der sich vor die Brust bewegt hat und dadurch den Oberkörper seitlich hält. Ansonsten würde die linke Schulter rumkommen und er wäre zu frontal zum Netz. Die seitliche Position des Körpers im Treffpunkt ist für das Gelingen des Kick-Aufschlags enorm wichtig. Nur dann kann der Schläger den Ball von links unten nach rechts oben schlagen.
Weiterhin fällt auf, dass Schläger und Unterarm im Treffpunkt nicht auf einer Linie sind. Das vergrößert möglicherweise die Schlägerkopf-Geschwindigkeit im Treffpunkt und damit die Topspin-Komponente im Aufschlag.
Ein letzter Punkt: Federer schlägt den Ball beim Kick-Aufschlag etwas stärker im Fallen, damit sein Schläger im Treffpunkt aufwärts schwingen kann. Das erleichtert die Erzeugung von Topspin. Der Schläger darf in der "heißen Phase" nicht nach unten schwingen.
8. Ausschwung
Aufgrund der veränderten Schwungkurve beim Kick-Aufschlag, ändert sich auch der Ausschwung ein klein wenig:
1. Sein Arm schwingt nach dem Treffpunkt stärker nach rechts. Der Schläger schwingt nicht ganz so weit am Körper vorbei nach links. Federers Schlaghand endet bei seinem rechten Bein.
2. Der Unterarm dreht sich nach dem Treffpunkt stärker nach außen. Dieses Mehr an Pronation ist lediglich die Konsequenz aus dem modifizierten Ballwurf und dem Schwung, der nun weiter von links kommt.
Lasst euren Arm locker und schwingt auf natürliche Weise aus. Dann minimiert ihr das Risiko für Muskel- und Gelenksverletzungen.
Fazit
Wie wir gesehen haben, gibt es einige Besonderheiten, die beim Kick-Aufschlag zu beachten sind. Der Kick basiert auf einem Treffpunkt oberhalb des Kopfes oder sogar leicht dahinter. Hierzu muss der Ballwurf angepasst werden. Der Schläger nähert sich dem Ball weiter von links und schwingt nach rechts oben während des Treffpunkts. Zusätzlich rotiert der Arm nach außen. Dadurch entsteht der Topspin, der den Ball ins Feld drückt. Je mehr Schlägerkopf-Geschwindigkeit erzeugt wird, umso besser. Dazu ist der richtige Einsatz des Körpers unabdingbar. Vor allem die richtige Haltung im Drop und im Treffpunkt ist entscheidend. Der Arm bleibt locker und entspannt.
Abschließend die wichtigsten Punkte noch einmal in Videoform zusammengefasst:
Spindoc
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