Rafael Nadal - Rückhand Videoanalyse
Denkt man an Rafael Nadal, denkt man in erster Linie an seine einzigartig zwirbelnden Vorhände. Dabei kommt seine Rückhand bei Kommentatoren und Beobachtern des Tennissports häufig zu Unrecht zu kurz. In diesem Thread wollen wir seine beidhändige Rückhand einmal aus dem Schattendasein befreien, denn auch diesen Schlag spielt der Spanier technisch einwandfrei. Meine Analyse orientiert sich an folgendem Video:
Rafael Nadals Rückhand.
1. Körperdrehung
Genau wie alle anderen Profis beginnt Nadal den Schlag mit der Körperdrehung, d. h. er dreht Füße und Schultern zur Seite. Schaut euch die ersten 4 Sekunden im Video an: In dieser Phase sind die Hände vollkommen passiv, sie führen keinerlei Rückschwung durch. Nur der Griffwechsel wird vollzogen.
Dieser Vorgang ist abgeschlossen, wenn die Schultern etwa 45° zum Netz sind. Erst dann beginnt er mit dem Rückschwung. Früher wurde einem gesagt, man solle "den Schläger so früh wie möglich zurücknehmen". Diese Denkweise ist mittlerweile veraltet. Wer den Schlag mit den Armen einleitet, verhindert unweigerlich eine vollständige Drehung des Körpers.
2. Rückschwung
Nadals Rückschwung ist sehr kompakt. Seine Hände bewegen sich in etwa auf der selben Höhe nach hinten, auf der sie während der Körperdrehung zuvor auch schon waren. Wenn die vollständige Drehung erreicht ist, sind seine Schultern etwas mehr als 90° zur Grundlinie. Sein Kinn ist über der linken Schulter.
In diesem Moment beginnt er mit der Richtungsänderung. Er dreht seine Hände und Unterarme nach hinten unten, sodass die Schlägerspitze zum Boden zeigt. Er ändert die Richtung des Schwungs mit einer sehr kompakten und flüssigen Bewegung.
Die Größe und die Form der Schleife ist bei jedem Spieler etwas anders. Gleiches gilt für das Ausmaß an Hand- und Armrotation. Das Ziel sollte es sein, die Rückhand so schnörkellos wie möglich zu lernen. Weniger Bewegungen sind immer besser.
3. Stand und Vorwärtsschwung
Nadal macht mit dem linken Bein einen Diagonalschritt nach vorne, um in den geschlossenen Stand zu gelangen. Die Distanz zwischen seinen Füßen kann einen Meter und mehr betragen. Diese breite Basis gewährt ihm die Möglichkeit, seine Beine dynamischer einzusetzen. Verglichen mit dem neutralen Stand erlaubt der geschlossene Stand Nadal eine tiefere Kniebeuge, speziell im vorderen Bein.
Im Vorwärtsschwung strecken sich die Beine dann automatisch. Dabei wird beträchtliche Energie freigesetzt, die kinematische Kette beginnt zu arbeiten. Der Energiefluss wird durch die Beine in Gang gesetzt und durch die verschiedenen Körpersegmente nach oben geleitet. Die zusätzliche Kraft aus der tieferen Kniebeuge wird also Richtung Torso transferiert. Dort wird sie weiter vergrößert durch die Schulterrotation.
Ein weiterer wichtiger Aspekt im Vorwärtsschwung ist die Haltung des Oberkörpers. Nadals Torso ist mittig zwischen den Füßen ausbalanciert, er lehnt sich nicht zur Seite. Das ist die Basis, um seine Schultern um die Wirbelsäule herum stabil rotieren zu lassen.
Viele Freizeitspieler haben in diesem Punkt Probleme, weil ihre Ausrichtung nicht so exakt ist. Oftmals sind sie zu weit vom Ball entfernt und müssen sich mit dem Oberkörper nach vorne beugen, um den Ball zu erreichen. Die aufrechte Position - und damit die Balance - geht verloren.
4. Treffpunkt
Nadal spielt eine Variante der beidhändigen Rückhand, bei der im Treffpunkt beide Arme gestreckt sind. Sein linker Arm war bereits dann vollkommen gerade, als er den Rückschwung beendete (Siehe auch). Sein rechter Arm hat sich im Vorwärtsschwung gestreckt.
Der Beitrag des vorderen Arms ist bei dieser technischen Variante größer als bei Spielern, die den vorderen Arm gebeugt lassen. Sie ähnelt einer einhändig geschlagenen Rückhand. Man kann sich ohne Probleme Nadals rechte Hand am Schläger wegdenken. Herauskommen würde ein ziemlich guter Einhänder. Dazu passt, dass seine Schultern im Treffpunkt zwischen 45 und 60 Grad zum Netz sind.
Bemerkenswert ist weiterhin, wie aufrecht und ruhig sein Kopf im Treffpunkt ist. Genau wie Federer lässt er seinen Kopf nach dem Treffen des Balles noch eine ganze Weile in Position. Dies dient primär seiner Balance, da sich im Innenohr das sogenannte Vestibularorgan befindet, welches für die Steuerung des Gleichgewichts verantwortlich ist.
5. Schwungkurve und Ausschwung
Neben der Armkonstellation gibt es eine weitere Komponente, die für das Verständnis seines Treffpunkts wichtig ist: Die Schwungkurve. Hierbei ist der Ausschwung von zentraler Bedeutung.
Die Wichtigkeit des Ausschwungs wird häufig unterschätzt. Einige betrachten ihn als irrelevant, da der Ballkontakt ja bereits abgeschlossen ist. Doch das ist ein Trugschluss. Die Schwungkurve verläuft kontinuierlich. Sie beginnt mit der Vorwärtsbewegung zum Ball und sie endet nicht im Moment des Treffpunkts. Der Treffpunkt ist lediglich ein Punkt auf der kontinuierlichen Schwungkurve. Der Verlauf der Schwungkurve entscheidet in Verbindung mit der Armkonstellation darüber, wo sich der Schläger im Treffpunkt befindet.
Mit anderen Worten: Der Treffpunkt ist direkt abhängig von der Schwungkurve. Und die Form der Schwungkurve hängt untrennbar mit dem Ausschwung zusammen. Warum? Weil sich der Schläger immer in die Richtung bewegt, in die er gelenkt wird. Nadal schwingt das Racket nach dem Treffpunkt nach vorne oben. Dabei bekommt er eine herausragende Streckung zum Ziel. Das indiziert, dass er mit kontrollierter Power und Länge agiert.
Schlussendlich muss sich der Schläger geschmeidig und gleichmäßig verlangsamen. Dazu schwingt Nadal ihn über seine linke Schulter nach hinten und nach unten. Er ist entspannt und lässt es einfach passieren. Letztlich seht ihr, wie sein rechtes Bein nach vorne rumkommt, um für den nächsten Schlag wieder in einer guten Ausgangsposition zu sein.
Spindoc
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