Mentale Stärke dank KEKS
Wir alle wissen um die Bedeutung eines regelmäßigen körperlichen Trainings, um unseren sportlichen Erfolg zu fördern. Je mehr Bälle wir schlagen, desto besser werden wir. Um noch mehr aus uns herauszuholen, greifen wir zu immer skurriler werdenden Saiten und Rackets, stellen unsere Ernährung um oder schwören auf teuer erstandene Wunderdrinks. Die Schulung des Geistes vergessen wir jedoch häufig. Dabei ist die Zeit, die wir für das Training unseres Gehirns aufwenden, für den Erfolg genauso wichtig.
In diesem Thread möchte ich dir einige grundlegende Ideen der Sportspsychologie vorstellen, die du dir zu Nutze machen kannst, um dein Tennis auf ein höheres Level zu bringen – ganz ohne der Pharma- und Racketindustrie das Geld in den Rachen zu werfen. In einem weiteren Thread, der nächste Woche folgt, werde ich auf dem hier Gesagten noch etwas aufbauen und zeigen, wie jeder von uns mit der richtigen Denkweise ein "Erfolg" werden kann.
Hinter dem Akronym KEKS verbergen sich folgende Begriffe:
- Konzentration
- Engagement
- Kontrolle
- Selbstvertrauen
Sie sind ein guter Ausgangspunkt, um mit Sportpsychologie vertraut zu werden, da sie auf alle Spieler anzuwenden sind – egal, auf welchem Level sie spielen. Es ist einfach, sich unter diesen Begriffen etwas vorzustellen. Wendet man sie jedoch etwas genauer auf die eigene Situation an, beginnt man zu verstehen, welche immensen Auswirkungen sie auf die eigene Leistung haben können.
Konzentration
Konzentrationsfähigkeit ist eine Schlüsselqualifikation in allen Bereichen unseres Lebens. Im Tennis sind die Konzentrationsphasen im Gegensatz zu anderen Sportarten (z. B. Turnen) besonders lang. Daher musst du lernen, über die Dauer eines gesamten Dreisatz-Matches konzentriert zu bleiben. Du darfst dein Ziel nicht aus den Augen verlieren, sei es der Gewinn eines Ballwechsels oder die Umsetzung einer bestimmten Strategie.
Es ist einfach, sich in unserer modernen, geschäftigen Welt ablenken zu lassen. Um deinen Fokus nicht zu verlieren, musst du ein paar Werkzeuge in deinem mentalen Werkzeugkoffer parat haben: Visualisierung der richtigen Technik, Kontrolle der Atmung, sowie kleine Marotten und Eigenheiten, die dir als Anker dienen. Wenn du merkst, dass du die Konzentration verlierst, kannst du auf diese Anker zurückgreifen und deine Aufmerksamkeit darauf richten.
Gedanklich in der Gegenwart zu bleiben und sich nicht durch irrelevante Dinge ablenken zu lassen, ist einer der Schlüssel, um das Maximum aus sich herauszuholen. Bedenke: Ein Teil jener unschätzbaren Freude am Tennisspielen sind die Momente, in denen du an absolut nichts denkst und einfach nur spielst.
Woher weiß du, worauf du dich konzentrieren sollst? Nun, jeder Athlet sollte sich im Voraus einen Konzentrationsplan aufstellen. Frage dich: Worauf muss mein Fokus zu Beginn des Satzes liegen, wo bei Breakball und wo, wenn ich zurückliege oder führe? Sich einen Konzentrationsplan für jeden Teil des Matches zu erarbeiten, ist eine gute Art, seine Konzentration zu trainieren.
Beispiel: Möglicherweise hast du dir vorgenommen, bei Breakball mutig zu spielen und ans Netz zu kommen. Wenn das Match schon lange andauert und deine Beine müde sind, könntest du dir vorstellen, wie dich ein Magnet auf der anderen Seite des Platzes nach vorne ans Netz zieht. Das kann die Aufgabe erleichtern. Derartige Visualisierungen treiben dich nicht nur an, sie helfen dir auch, Ablenkungen in deiner Umgebung auszublenden.
Engagement
Der zweite Begriff meint das persönliche Engagement, die Selbstverpflichtung. Es ist gut, alles durchzuplanen und Zuversicht aufzubauen, aber das nützt alles nichts, wenn du dich nicht zum Training aufraffst.
Jeder hat Tage, an denen er einfach keine Lust hat. An diesen Tagen solltest du dir sagen: "Das Mindeste, was ich tun kann, sind 10 Minuten". Diese Einstellung hilft mir meistens, wenn ich mich bei einer Sache nicht motiviert fühle. In der Regel werden es dann mehr als 10 Minuten, wenn ich erst einmal angefangen habe und der innere Schweinehund überwunden ist.
Setze dir das Minimum von 10 Minuten als Schwellenwert, wenn du wieder mal eine innere Debatte darüber führst, ob du deinen Aufschlag üben sollst oder nicht. Kannst du dir 10 Minuten abringen? Du wirst dich möglicherweise überzeugen, dass du es kannst. Wenn du dann an der Grundlinie stehst und an all die Tage zurückdenkst, an denen du dir 10 Minuten für deinen Aufschlag abgerungen hast, kann dies ebenfalls dein Selbstvertrauen stärken.
Es ist definitiv vorteilhaft, sich langfristige Ziele zu setzen. Bedenke jedoch immer, dass es mindestens genauso wichtig ist, sich im Hier und Jetzt zu bewegen und nur eine Sache zu einem Zeitpunkt zu machen. Wenn du auf dem Platz stehst, sollte der Sieg nie dein Ziel sein, auch nicht der Satzgewinn. Viele Sportler limitieren ihr Denken und fokussieren sich nur auf das Endergebnis.
Nimm dir stattdessen Nadal zum Vorbild. Rafael will keine Matches gewinnen, auch nicht den Satz oder das Spiel. Er will immer nur den nächsten Punkt gewinnen! Er konzentriert sich auf den Prozess, nicht auf das Endergebnis. Das Ergebnis kommt von ganz alleine, weil es die Summe der vielen Prozesse, sprich Ballwechsel, ist.
Kontrolle
Die Idee hinter diesem Begriff ist, jene Dinge zu kontrollieren, die in der eigenen Macht stehen, also unsere Emotionen, unsere Vorbereitung und unser Denken. Du kannst nicht das Wetter oder deinen Gegner kontrollieren. Deshalb solltest du auch keine wertvollen mentalen Ressourcen für Dinge verschwenden, auf die du keinen Einfluss hast.
Unsere Emotionen zu kontrollieren, indem wir wahrnehmen, was sie uns sagen, ist der Ausgangspunkt. Nervosität ist eine allgemeine Erfahrung für Tennisspieler, aber sie ist nicht notwendigerweise eine negative Erfahrung. Schmetterlinge im Bauch und schweißnasse Hände vor einem Match können als Bereitschaft interpretiert werden.
Von vielen Spielern wird die Flut an Adrenalin, die der Körper während der Vorbereitung auf eine bevorstehende Aufgabe ausstößt, negativ interpretiert. Diese Angstsymptome können deutlich gelindert werden, wenn du dich auf deinen Matchplan konzentrierst und dir zusprichst, dass du sehr gut auf diesen Tag vorbereit bist. Auch physische Entspannungsmethoden (Atemübungen*, Progressive Muskelrelaxation**) tragen deutlich zur Entspannung bei. Versuche, tief in den Bauch einzuatmen und langsam durch den Mund auszuatmen. Stell dir vor, wie all deine Bedenken beim Ausatmen aus dem Körper rausgeblasen werden.
Nutze mentale Bilder, wenn du nervös bist. Denke z. B. an ein Match zurück, in dem du stark gespielt hast, fokussiere dich auf die positiven Dinge und mache sie dir habhaft. Wir alle haben Erinnerungen an Momente, in denen wir uns stolz gemacht haben.
Ich denke meistens an eine Situation, in der ich geduldig und ruhig gewesen bin, in der ich meine Kräfte sorgsam eingeteilt habe und locker war. Es ist der von Aristoteles beschriebene "goldene Mittelweg", in dem ich meinen idealen Leistungszustand finde: Nicht zu furchtlos, denn das führt zu Tollkühnheit, aber auch nicht zu aufgewühlt, denn das mündet in Handlungsunfähigkeit. Eben genau in der Mitte.
Selbstvertrauen
Zuversicht bzw. Selbstvertrauen ist enorm wichtig, wenn man besser werden möchte. Um sich zu verbessern, muss man zunächst einmal daran glauben, dass man sich verbessern kann. Ein Sieg über den 50 Plätze besser platzierten Spieler wird nur passieren, wenn man sich selbst sagt, dass man dazu fähig ist. Glaube an deine Fähigkeiten, vergleiche dein Können mit dem von gestern, und vergleiche dich nicht mit jemandem, der einen völlig anderen Weg gegangen ist als du. Allzu oft ziehen wir Vergleiche zu den Menschen in unserer Umgebung und machen uns damit selbst unglücklich, weil wir immer nur nach dem suchen, was wir nicht haben, anstatt unser Glück danach zu bemessen, was wir haben.
Verpflichte dich, immer dein Bestes zu geben, auch wenn du das Gefühl hast, nicht hart genug für ein Match trainiert zu haben. Implementiere eine Philosophie des "Nicht-Bedauerns" und erinnere dich in schwierigen Momenten immer wieder daran.
Zuversicht öffnet uns alle Türen in unserer Entwicklung. Sie entsteht durch gute Vorbereitung und Planung. Setze dir anspruchsvolle, aber erreichbare Ziele und halte deinen Fortschritt nach jeder Trainingseinheit fest. Die Zuwächse können gewaltig sein.
Beispiel: Protokolliere den Verlauf jeder Trainingseinheit, nicht nur die Zahlen! Deine Gedanken und Gefühle im Verlaufe einer Session sind genauso wichtig. Indem du ein Bewusstsein schaffst für die Dinge, die dir während des Trainings durch den Kopf gehen, kannst du Veränderungen einleiten.
Vergleiche den Satz "Ich hasse diesen Schlag, die Beine tun mir weh" mit "Auf geht's, wachsam bleiben, Spannung halten". Welcher dieser Spieler wird wohl eher einen Rückstand aufholen? Es ist manchmal nicht einfach, diese Reaktionen hervorzurufen. Indem du sie zunächst fakst, legst du zumindest den Grundstein, um die negativen Denkgewohnheiten zu durchbrechen. Versuche, die negativen Gedanken zu verbannen und durch positive Statements in deinem Kopf zu ersetzen.
Medaillen und Pokale werden nicht an einem Tag gewonnen. Sondern in den vielen Tagen der Vorbereitung vor einem wichtigen Turnier / Match. Wenn du die 4 Elemente aus KEKS verinnerlichst und zu deinem Wegbegleiter machst, wirst du erkennen, dass in diesem Spruch viel Wahres steckt.
Spindoc
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* Vgl. Die richtige Atmung im Tennis
** Vgl. Entspannt bleiben in Drucksituationen
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