Mit Zuschauern und Erwartungen souverän umgehen
Machst du dir oft Gedanken darüber, was andere von dir und deinem Spiel denken? Hast du manchmal die Befürchtung, du könntest deine Eltern oder deine Teamkameraden enttäuschen, wenn du ihren Erwartungen nicht gerecht wirst? Lähmt dieser Druck deine Leistung und dein Vergnügen auf dem Tennisplatz?
Viele Menschen konzentrieren sich zu sehr darauf, was andere von ihnen denken. Sie setzen sich selbst enormen Druck aus, weil sie vor ihren Eltern, Trainern oder Freunden in einem guten Licht dastehen möchten.
Dieses Verhalten wird auch als übertriebenes Streben nach "sozialer Anerkennung" bezeichnet. Es kann vielfältige Ursachen und Konnotationen haben. Oftmals wollen die betroffenen Personen zeigen, dass das Vertrauen, das in sie gesetzt wurde, gerechtfertigt ist.
Das Bedürfnis nach Respekt, Anerkennung und Bewunderung ist nicht per se schlecht. In Abraham Maslows Bedürfnispyramide ist ihm sogar eine eigene Stufe gewidmet. Allerdings: Wenn du dir zu viele Gedanken darüber machst, was andere von dir denken, kannst du dich nicht mehr auf das Wesentliche konzentrieren – deine Leistung.
Zur Abmilderung dieses Problems sind zwei Dinge von Bedeutung. Zum einen musst du lernen, die Erwartungen, von denen du glaubst, dass andere sie an dich stellen, hinten anzustellen. Zum anderen musst du aufhören, darüber nachzudenken, was andere Leute über dich denken könnten. Wie funktioniert das konkret?
1. Starkes Selbstwertgefühl aufbauen
Der erste Schritt besteht darin, dass du dein Selbstwertgefühl stärkst. Mit anderen Worten: Du musst dich akzeptieren, so wie du bist. Manche Menschen reden sich ein, sie seien minderwertig, weil sie nicht vollkommen sind oder sich bestimmten materiellen Luxus nicht leisten können.
Solange du keinen gesunden Respekt dir selbst gegenüber entwickelt hast, suchst du nach Bestätigung durch deine Mitmenschen. Du strebst danach, dass jemand anderes dich für deine Anstrengungen lobt, damit du mit dir und deinem Spiel zufrieden sein kannst. Das Problem dabei: Dein Selbstwertgefühl wird anfällig gegenüber Meinungsänderungen der Menschen in deinem Umfeld. Deine Selbstachtung kann innerhalb weniger Minuten verschwinden, nur weil jemand anderes schlecht über dich spricht.
Besser ist es, wenn du dir selbst Respekt zollst, indem du dir sagst: "Unabhängig vom Ausgang des Matches - ob ich gewinne oder verliere - ich bin und bleibe ein wertvoller und liebenswerter Mensch. Ich lasse es nicht zu, dass meine Leistung auf dem Tennisplatz darüber entscheidet, wie ich über mich denke und fühle."
Du allein bestimmst über dein Selbstwertgefühl. Nicht deine Eltern, nicht deine Freunde und schon gar nicht deine Vorgesetzten! Das heißt nicht, dass du ihre Kritik konsequent überhören sollst. Nimm sie zur Kenntnis, aber nimm sie niemals persönlich. Gleiches gilt übrigens auch, wenn dich jemand lobt!*
Es ist ganz entscheidend, dass du zwischen deiner Person und dem Ergebnis trennst. Diese Distanzierung ermöglicht dir eine größere Zufriedenheit, die unabhängig vom Resultat ist. Man muss sich hin und wieder bewusst darin erinnern, diese Unterscheidung beizubehalten. Aber das ist es wert. Die Alternative ist, dass deine Zufriedenheit stets davon abhängt, ob die Dinge für oder gegen dich laufen.
2. Auf das Wesentliche konzentrieren
Oftmals üben wir uns zu sehr im Gedankenlesen. Wir vermuten, dass die Menschen in unserer Umgebung unsere Handlungen und unsere Person permanent bewerten.
Meist sind wir sehr erfolgreich dabei, uns einzureden, dass andere Menschen schlecht über uns denken, sich über uns lustig machen oder uns für einen Versager halten.
"Oh Gott, wie peinlich, jetzt hab ich schon wieder einen einfachen Volley verschlagen. Was wird wohl mein Trainer von mir denken? Da, diese zwei kichernden Mädchen – lachen die gerade über meine Unbeholfenheit vom Punkt zuvor? Dem Kerl dort sieht man an, dass er mich für einen Vollpfosten hält."
Viele Monologe dieser Art sind schlichtweg Unterstellungen. Meines Erachtens kommen sie immer dann zum Vorschein, wenn man sich von Dingen ablenken lässt, die um einen herum geschehen. Sich mit Spekulationen über die Gedanken von Außenstehenden zu beschäftigen ist eine große Ablenkung. Besser ist es, sich vollkommen auf das zu fokussieren, was auf dem Platz passiert und alles andere in den Hintergrund treten zu lassen.
Der Ball, das Netz, dein Gegner und du – das ist die Welt, in die du eintauchen möchtest. Die Zuschauer gehören zur externen Welt. Sie haben mit dem Tennisspiel nichts zu tun und sollten in deinen Gedanken daher auch keine Rolle spielen. Doch wie schaffst du es, während des Matches in deiner eigenen kleinen Welt zu leben und den Rest außen vor zu lassen?
Routinen sind ein Teil der Lösung. Sie helfen dir dabei, dich nicht so leicht von externen Störquellen ablenken zu lassen. Der zweite Teil besteht darin, davon Abstand zu nehmen, die Gedanken anderer Menschen lesen zu wollen. Deine Aufmerksamkeit darf sich nicht in Vermutungen über anderer Leute Meinungen erschöpfen. Andernfalls ist es dir unmöglich, deine bestmögliche Leistung auf dem Platz zu bringen.
Beantworte einmal ehrlich folgende Frage: Wie viel Prozent deiner Aufmerksamkeit verwendest du gegenwärtig für Spekulationen über die Meinung, die andere Menschen von dir haben könnten?
Je weniger Kapazität du für die Meinungen Außenstehender verschwendest, desto mehr freie Kapazität steht dir für das Wesentliche zur Verfügung, das Tennisspielen. Deine Leistung profitiert davon unmittelbar. Stell dir obige Frage in regelmäßigen Abständen und beobachte, in welche Richtung sich der Prozentsatz verändert. Versuche zu ergründen, warum der Prozentsatz in einem bestimmten Match höher war als in einem anderen. Im Idealfall misst du den Gedanken Außenstehender keinerlei Bedeutung zu, ganz gleich, wer dir zusieht. Deine Aufmerksamkeit liegt uneingeschränkt bei der Ausführung deiner Schläge und deiner Strategie.
Fazit
Es ist paradox: Du möchtest vor bestimmten Menschen in einem besonders guten Licht dastehen. Doch um dies zu erreichen, musst du das genaue Gegenteil von dem tun, was dir intuitiv richtig erscheint! Es musst dir vollkommen egal sein, was andere von dir halten. Gerade dann hast du die beste Chance, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Doch selbst wenn dir das nicht gelingt, darf dein Selbstwertgefühl nicht darunter leiden. Trenne immer zwischen deiner Person und dem Ergebnis.
Besinne dich auf die Dinge, die für dein Spiel entscheidend sind, anstatt darauf bedacht zu sein, dich nicht zu blamieren: Eine hohe Quote erster Aufschläge, lange Returns, eine Position nah an der Grundlinie, etc. Mit anderen Worten: Kanalisiere deine Aufmerksamkeit auf etwas Positives – etwas, das du erreichen möchtest und nicht auf etwas, das du vermeiden willst. Wenn du dies tust, treten deine Bedenken bezüglich anderer Personen automatisch in den Hintergrund.
Abschließend ein Zitat von Johann Wolfgang von Goethe, welches die Botschaft dieses Threads auf den Punkt bringt: "Was ein anderer denkt, wie kann mich das kümmern. Ich kann doch nicht wie er denken, weil ich ich und nicht er bin."
Spindoc
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* Lob gegenüber zu widerstehen ist schwieriger, als Kritik abzuwehren. Wer wird nicht gerne gelobt? Aber: Das Streben nach Lob ist der sichere Weg in die Abhängigkeit. Sobald du nämlich einmal nicht gelobt wirst, beginnst du, an dir selbst zu zweifeln: "Was habe ich falsch gemacht?". Banken und Beratungsunternehmen machen sich das vielfach zu Nutze. Sie nehmen ihren Angestellten jegliches Selbstwertgefühl, indem sie ihnen einreden, ein "Nichtsnutz" zu sein, wenn sie in einem Monat nicht die vorgegebene Menge an Abschlüssen machen. Besagte Unternehmen geben den Mitarbeitern ihr Selbstwertgefühl stückchenweise wieder zurück, wenn sie die Vorgaben erreichen ("Mitarbeiter des Monats" etc.). Im nächsten Monat sind die Vorgaben noch höher und das selbe Spiel beginnt von vorne. Es gibt nur zwei Alternativen: Entweder man hat die Courage auszusteigen oder man setzt sich immer größer werdendem Druck aus und riskiert seine Gesundheit (Stichwort Burnout).
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