Kleine Taktikschule für Anfänger - Teil 2

Einklappen
X
 
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge
  • Spindoctor
    Postmaster
    • 08.07.2010
    • 147

    Tutorial Kleine Taktikschule für Anfänger - Teil 2

    Kleine Taktikschule für Anfänger – Teil 2


    Sich über die Vielfalt an möglichen Spielzügen im Klaren zu sein, kann einen großen Vorteil darstellen, wenn es gilt, gegen die verschiedenen Spielertypen im Tennis zu bestehen. In Teil 1 meiner kleinen Taktikeinweisung (Klick hier) haben wir bereits einige Beispiele aus dem schier unendlichen Reservoir an Szenarien besprochen. In diesem Thread folgen 7 weitere Fälle, die du als Anregung für dein eigenes Spiel aufgreifen kannst. Du musst die Antworten nicht wie Vokabeln lernen. Begreife das Lösen von Spielsituation vielmehr als kreative Aufgabe, die es jedes Mal auf’s Neue zu lösen gilt. Tennis ist ein komplexes Spiel, keine zwei Matches sind identisch. Daher musst du die Fähigkeit entwickeln, basierend auf deinen eigenen Stärken und den Schwächen deines Gegners selbständig Lösungen zu finden, Fälle zu kombinieren bzw. neue Spielzüge zu entwickeln. Die Beispiele in diesem Thread sollen dir zeigen, wie dies funktionieren kann. Auf geht's!


    Fall 1: Dein Gegner beschäftigt dich auf deiner schwächeren Seite, um anschließend deine stärkere Seite zu attackieren.

    Ein typisches Beispiel: Dein Gegenüber spielt mit seiner Inside-Out-Vorhand solange auf deine schwächere Rückhand, bis er dich weit genug aus dem Platz gedrängt hat, um deine offene Vorhandecke für einen Winner auszunutzen. Dein erstes Ziel sollte es sein, die Richtung des Ballwechsels zu ändern. Um das Risiko hierbei in Grenzen zu halten, solltest du auf einen etwas kürzeren oder eher mittig platzierten Ball deines Gegners warten. Einen solchen Ball kannst du erzwingen, indem du einen langen, hoch abspringenden Ball in die Mitte spielst (A). Dadurch ermöglichst du deinem Kontrahenten keinen guten Winkel, um nach außen zu spielen. Anschließend kannst du deine Rückhand umlaufen und deine Vorhand entweder inside-out oder inside-in anbringen.


    Eine weitere Möglichkeit besteht darin, einen Slice zu spielen und anschließend den Weg ans Netz zu suchen. Der Slice eignet sich aus verschiedenen Gründen gut als Angriffsball. Zum einen ist dein Körper beim Schlag bereits seitlich, sodass du leicht in die Vorwärtsbewegung übergehen kannst. Zum anderen ist der Ball länger unterwegs als bei einem Topspin-Schlag, sodass du Zeit hast, näher ans Netz aufzurücken. Dadurch deckst du den Platz besser ab, die Winkel werden verkürzt. Ein weiterer Vorteil beim Slice-Angriff: Der Ball springt flach weg, sodass du es deinem Gegner schwer machst, einen guten Passierball zu spielen. Ein Lob ist so gut wie ausgeschlossen. Du kannst sowohl longline (B), durch die Mitte (C), als auch cross (D) angreifen.


    Cross-court hat den Vorteil, dass der Ball länger unterwegs ist, allerdings hat dein Gegner auch einen besseren Winkel, um dich zu passieren.


    Fall 2: Du spielst gegen einen Linkshänder, der dich von der Vorteilsseite mit seinen Slice-Aufschlägen nach außen gleich zu Beginn der Rally aus dem Platz treibt. Danach zieht er sein Winkelspiel auf und du ziehst den Kürzeren.

    Als erstes solltest du deine Returnposition anpassen. Stell dich etwas weiter links auf, um den Slice-Aufschlag besser returnieren zu können und den Linkshänder zu riskanteren Aufschlägen zu zwingen. Spiele deine Returns lang und mittig an die Grundlinie, um die Rally zu neutralisieren. Anders als gegen Rechtshänder musst du deine Rückhand in den Ballwechseln überwiegend longline spielen. Es sei denn, du hast eine starke Rückhand, die mit seiner Vorhand mithalten kann. Gelegentlich solltest du deine Rückhand umlaufen, um mit deiner Inside-Out-Vorhand in den Cross-Duellen mehr Druck ausüben zu können.

    Du verhinderst das Winkelspiel des Linkshänders, indem du hohe Bälle durch die Mitte spielst. Dadurch wird es für ihn schwerer, die Ecken anzupeilen. Probiere hin und wieder einen Slice-Aufschlag auf den Körper. Diese Aufschläge kann der Lefty nur sehr schwer returnieren. Der wichtigste Tipp: Bleib geduldig. Es dauert seine Zeit, bis man sich an den eigenwilligen Ballabsprung und die Spielweise des Linkshänders gewöhnt hat. Sei nicht frustriert, wenn der erste Satz relativ glatt weggeht. Bleib zuversichtlich und verfolge konsequent deinen Spielplan.


    Fall 3: Du hast es mit einem starken Returnspieler zu tun, der deinen Aufschlag rigoros attackiert. Du bist vom ersten Ball an in der Defensive.

    Achte auf eine gute Länge deiner Aufschläge und nimm etwas Geschwindigkeit raus, um eine höhere Prozentzahl erster Aufschläge ins Feld zu bekommen. Schlag häufiger auf den Körper auf. Erhöhe den Topspinanteil deiner Aufschläge, sodass der Ball höher wegspringt. Dann kann dein Gegenspieler mit dem Return nicht mehr so leicht angreifen. Die meisten Returner haben zudem bestimmte Lieblingsreturns, die sie nach wiederkehrenden Mustern spielen. Versuch herauszufinden, welche Muster dein Gegner bevorzugt. Dann kannst du frühzeitiger darauf reagieren. Mit deinem ersten Grundschlag solltest du hohe und lange Cross-Schläge versuchen, um die Rally zu neutralisieren und deinen Gegner am Angriff zu hindern.


    Fall 4: Dein Gegner spielt dir hohe Bälle auf deine einhändige Rückhand, bis du irgendwann zu kurz wirst und er eine Chance bekommt.

    Auch hier hast du mehrere Möglichkeiten. Schlag ihn mit seinen eigenen Waffen, indem du die Bälle hoch und lang zurückspielst (A). Wenn es dir gelingt, deinen Gegner zurückzudrängen, kannst du danach deine Vorhand inside-in spielen oder einen überraschenden Stopp einstreuen.


    Eine andere Option besteht darin, den Ball in einer hohen Flugkurve und mit viel Länge durch die Mitte zu spielen (B). Rück sofort nach dem Schlag ans Netz auf, um die Antwort deines Kontrahenten mit einem (Drive-)Volley abzuwehren.


    Weiterhin kannst du es mit einem hohen Ball die Linie entlang probieren (C). Visiere einen Punkt deutlich innerhalb der Seitenauslinie an, um das Risiko eines Fehlers zu minimieren. Gute Länge und Höhe sind wichtig. Wahrscheinlich spielt dein Gegner jetzt cross-court und du bekommst das dir gelegenere Vorhand-Cross-Duell.



    Fall 5: Dein Kontrahent zieht dir mit seinem S&V-Spiel den Zahn. Dir gelingt es oft nicht, den Passierschlag zu verwandeln.

    Gegen S&V-Spieler solltest du auf Länge und Variabilität in deinen Returns Wert legen. Wenn du cross returnierst, ist der Platz etwas "länger" und die Wahrscheinlichkeit höher, dass dein Ball im Feld landet. Effektiv kann auch ein Chip die Linie entlang sein. Dein Gegner muss den Ball nun sehr tief nehmen und wird vermutlich cross spielen, da das Netz außen höher ist. Jetzt kannst du die offene Ecke für einen Passierball nutzen.

    Stell sicher, dass du deinen Gegner stets dazu zwingst, den ersten Volley zu spielen. Nichts ist unnötiger als ein Returnfehler, weil du den vorschnellen Winner suchst. Bei zweiten Aufschlägen kannst du aggressiver zu Werke gehen. Wenn du den Ball gut siehst, kannst du ihn früher nehmen und longline zurückspielen.

    Ist dein Gegner am Netz, solltest du nicht in Panik verfallen. Spiele relativ früh im Match einen Lob. Das verunsichert deinen Gegner möglicherweise und er rückt bei seinen nächsten Angriffen etwas zögerlicher ans Netz auf. Dann kannst du den Ball in einem besseren Winkel cross an ihm vorbeispielen. Es kann mental auch ziemlich wirkungsvoll sein, wenn du zu einem frühen Zeitpunkt im Match auf den Mann durchziehst.

    Falls du pietätvoller mit deinem Gegner umgehen willst, spielst du eine 2-Schlag-Kombination: Den ersten Schlag spielst du cross und mit Spin, sodass sich der Ball hinter dem Netz schnell senkt. Dein Gegner ist nun zu einem schwierigen Volley unterhalb der Netzkante gezwungen, den er nicht tödlich spielen kann. Jetzt kannst du ihn mit dem zweiten Schlag longline passieren.


    Fall 6: Deine Stärke sind Gewinnschläge die Linie entlang. Allerdings: Dein Gegner ist gut zu Fuß. Er erläuft diese Bälle und gewinnt die Punkte mit guten Winkelschlägen.

    Diesen Gegner musst du auf dem falschen Fuß erwischen. Öffne dir den Platz weiterhin cross-court, aber beende die Punkte fortan, indem du gegen die Laufrichtung spielst. Dadurch bringst du dein Gegenüber aus der Balance und erzwingst mehr Fehler. Dein Gegner wird sich irgendwann anpassen und sich nicht mehr so leicht überraschen lassen. Dann hast du dein Ziel erreicht. Denn jetzt kannst wieder etwas häufiger die Linie entlang gehen. Du wirst sehen, dass dieser Schlag jetzt effektvoller ist, wenn du ihn besonnen einsetzt, da dich dein Gegner weniger gut lesen kann.

    Spiele die Bälle beim Richtungswechsel so, dass dein Gegner sie oberhalb seiner optimalen Treffpunktzone nehmen muss. Hohe Bälle machen es ihm schwerer, die Winkel zu erzeugen. Wenn du weißt, dass Winkel seine Stärke sind, kannst du auch hin und wieder durch die Mitte angreifen. Diese Bälle öffnen ihm nicht so sehr den Platz für seine spitzen Passierschläge.


    Fall 7: Dein Gegner spielt die Bälle lang und hart durch die Mitte, sodass du keine Winkel spielen kannst. Er wartet darauf, dass du zu kurz wirst.

    Hiergegen kann es helfen, ebenfalls durch die Mitte zu spielen – allerdings mit weniger Geschwindigkeit und mit mehr Höhe. Dein Gegner muss nun viel Energie darauf verwenden, den Ball schnell zu machen. Eventuell kannst du ihn damit frustrieren und Fehler erzwingen.

    Falls dies nicht gelingt, kannst du mit Slice-Schlägen deinen Gegner daran hindern, mit so viel Geschwindigkeit zu spielen. Da er den Ball nun anheben muss, wird er möglicherweise irgendwann zu kurz und du bekommst eine verwertbare Chance. Du kannst zudem in Erwägung ziehen, einen Schritt weg von der Grundlinie nach hinten zu machen, um mehr Zeit bei der Ausführung deiner Schläge zu bekommen. Vergiss in diesem Fall aber nicht, deinen Schwung anzupassen, d. h. etwas zu verlängern, damit du die gleiche Länge in deinen Schlägen hast wie zuvor.


    Die Antwort auf die Frage, welche der hier vorgestellten Taktiken die beste Aussicht auf Erfolg hat, hängt letztlich von deinen Fähigkeiten als Spieler ab. Aber auch deine Persönlichkeit ist entscheidend. Beispielsweise spielt es eine Rolle, ob du eher risikoscheu bist oder risikoneutral, ob du eher defensiv spielst oder offensiv, und womit du besser zurecht kommst. Betrachte die hier diskutierten Fälle als taktisches Grundgerüst und passe sie deinem individuellen Spielstil an. Dann ziehst du den meisten Nutzen aus diesen beiden Threads. Viel Erfolg!


    Spindoc
    Zuletzt geändert von Spindoctor; 06.08.2011, 23:35. Grund: Formatierung überarbeitet
  • Heinman
    Heavy overdozed admin
    • 02.10.2001
    • 2996

    #2
    Wieder ein weiterer sehr guter Beitrag vom "Doc"

    Lieber Spindoc kannst Du bitte Fall 2 (Taktik gegen Linkshänder) mit sofortiger Wirkung löschen, bevor ich dies in meiner Funktion als Moderator machen darf ??

    Die Beschreibung in Fall 2 verstößt gegen die Menschenrechte einer Minderheit, die seit Jahren auf den Courts Schimpftiraden wie "Sch.... Linkshänderaufschlag" "Nimm doch den Schläger in richtige Hand" oder "So eine Drecks-Linkshändervorhand" ausgeliefert ist.

    Der/die Linkshänder leidet doch ohnehin schon daran, dass er im Training alles "andersrum" machen muss.
    Manch ein Tennistrainer bezeichnet deshalb Linkshänder auch als die "Vegetarier" des
    Tennis, für die man immer ein Extra Süppchen kochen muss.

    Mit freundlichen Grüßen
    vom "linken" Heinman :-):-)
    Ich bin ganz ruhig. Wenn ich nicht alles weiß, muss ich nicht alles machen.

    Kommentar

    • derluecke
      Postmaster
      • 05.06.2009
      • 161

      #3
      Genau so sehe ich das auch. Durch langes Training bei Rechtshändertrainern habe ich eine klasse Vorhand longline und eine wunderschöne crosse Rückhand. Sozialisierung durch Rechtshänder: "Du spielst mir immer auf die Rückhand".
      Selbst Linkshänder untereinander spielen oft wie Rechtshänder. Rückhandduelle ohne Ende.

      Gibt einfach zu wenig Trainer, die ein Duell auf der Vorteilseite länger durchhalten. Trainierbar eigentlich nur mit Linkshändern.

      Interessant eigentlich auch die Rechtshänderverlierer, die ihre Niederlage immer auf die Linkshänder schieben und nicht auf ihre Spielweise.

      Zu der Taktik: Da sieht man wieder, dass er Rechtshänder nur spiegelt und nicht mitbekommt, dass die meisten Linkshänder einen super Insideout spielen. Spiel gegen mich bitte durch die Mitte und dann noch nett hoch, geil.
      Linkshänder sind es gewöhnt Bälle zu umlaufen, wenn sie auch mal eine Vorhand spielen wollen. Lefties stehen gerne etwas nach rechts versetzt um das Zuspiel der Rechtshänder zu kompensieren.
      Für RH ist es sinnvoll zunächst die Rh cross und die VH ll zu erlernen, damit man seinen Gegner auf der Rh unter Druck setzen kann. Beim LH ist es genau umgekehrt, wir brauchen eine gute RH ll und eine crosse Vh. Wenn man nur ein RH-Training bekommt, erlernt der LH eine VH ll und eine crosse RH. Spiegelt der Trainer lediglich, dann spielt man als Linkshänder dem Rechtshänder immer auf die VH. Kommt bei vielen Trainern aber nicht an.

      Kommentar

      Lädt...