Die Grundlagen guter Beinarbeit – Teil 1
An den Grundlagen der Beinarbeit zu arbeiten, ist für Tennisspieler jeden Alters lohnenswert. Die richtigen Techniken erlauben dir einerseits, dich mit wenig Kraftaufwand über den Platz zu bewegen und das Verletzungsrisiko zu reduzieren. Andererseits kannst du deine Gegner zu riskanteren Schlägen und damit zu mehr Fehlern zwingen, wenn du den Court gut abdeckst.
Umgekehrt führt mangelhafte Beinarbeit dazu, dass du deine Schläge häufig nur gehetzt durchführen kannst. Wenn du nicht in der Lage bist, dich explosiv zum Ball zu bewegen, gerätst du gleich zu Beginn der Rally in Zeitnot. Du triffst den Ball womöglich zu spät und vergibst Chancen, offensiv auf die Schläge deines Gegners zu antworten. In der Folge hast du Probleme, das Tempo der Rally mitzugehen und ermüdest schneller.
In meiner neuen, dreiteiligen Threadserie möchte ich versuchen, dir die gebräuchlichsten Bewegungstechniken auf dem Tennisplatz leicht verständlich und anschaulich zu erläutern. Heute werde ich über den Split-Step, die Wettkampfhaltung und den ersten Schritt zum Ball schreiben. Beim nächsten Mal schauen wir uns die Bewegung an der Grundlinie an, ehe wir im dritten Teil auf Schläge aus dem Lauf heraus zu sprechen kommen. Auf geht's!
Genuss für Augen und Ohren: Die Beinarbeit
von Roger Federer.
Der Split-Step
Ein unverzichtbares Grundelement guter Beinarbeit ist der sogenannte Split-Step sowie das Timing desselben. Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich nichts weiter als ein kleiner Hopser, der jeder Bewegung zum Ball vorausgeht. Zur rechten Zeit durchgeführt, sorgt der Split-Step für Balance und ermöglicht dir, dich explosiv zum Ball zu bewegen, sobald du die Richtung des gegnerischen Schlags erkennst.
Du solltest deinen Split-Step beginnen, wenn dein Gegner sein Racket nach vorne zum Ball beschleunigt, sodass du im Treffpunkt mit beiden Füßen in der Luft bist. Dies ermöglicht dir, die Richtung des Balles zu bestimmen, ehe du landest. Entgegen dem weit verbreiteten Glauben setzen deine Füße nicht immer gleichzeitig auf dem Boden auf. Manchmal stellt der Fuß, welcher weiter weg vom Ball ist, den Bodenkontakt etwas früher wieder her. Jener Fuß, der näher zum Ball ist, dreht sich während der Landung bereits in die Richtung des Schlags (s. Murray im Video).
Bei allen Profis beginnt die Schlagvorbereitung
mit dem Split-Step – Cilic, Berdych, Clijsters,
Davydenko und Murray.
Die Wettkampfhaltung
Unter der Wettkampfhaltung verstehe ich jene Körperhaltung, welche die Profis unmittelbar nach ihrem Split-Step aufweisen. Die 3 charakteristischen Merkmale dieser Position sind:
- Füße etwa doppelte Schulterbreite auseinander
- niedriger Körperschwerpunkt
- gerade Rückenhaltung
Nach dem Split-Step nehmen alle Profis ihre
Wettkampfhaltung ein, um sich geschmeidig
und gewandt bewegen zu können.
1. Breite Basis
Für eine schnellere Reaktionszeit und Kontrolle bei der Ausführung deiner Schläge sollten deine Füße mindestens doppelte Schulterbreite auseinander sein. Mit einer breiten Basis ist es einfacher, den Körperschwerpunkt unten zu lassen. Sind deine Füße zu nah beieinander, fällt dir dies schwerer. Zudem lastet in diesem Fall mehr Gewicht auf deinen Oberschenkeln, sodass du schneller ermüdest.
Ferner verlangsamt ein zu schmaler Stand die Reaktionszeit für den ersten Schritt. Aber auch wenn du keinen Laufweg absolvieren musst, ist es ungünstig, den Ball aus einem zu schmalen Stand zu spielen. Sind deine Füße zu eng zusammen, ist eine effiziente Gewichtsverlagerung nach vorne nicht möglich. In der Folge verlierst du an Power und Kontrolle.
Am Anfang fühlt sich der breite Stand unnatürlich an und man denkt, die Reaktionsfähigkeit wird dadurch eingeschränkt. Allerdings gibt es eine Technik, die wir uns später noch genauer ansehen, mithilfe der du dich ausgehend von deinem breiten Ausgangsstand explosiv abdrücken kannst.
Ein weiterer wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit der Wettkampfhaltung besteht darin, das Körpergewicht auf den Fußballen auszubalancieren. Gute Spieler passen ihre Position mittels kleiner Anpassungsschritte solange an, bis sie optimal in Balance sind. Sie setzen ihre Füße dabei nicht vollständig auf, sondern bewegen sich auf ihren Fußballen. Dadurch können sie jederzeit blitzschnell reagieren, ohne ihr Gleichgewicht zu verlieren.
2. Niedriger Körperschwerpunkt
Mit Körperschwerpunkt meint man typischerweise die Position der Hüfte. Wie bereits angesprochen, sorgt der breite Stand dafür, dass der Körperschwerpunkt niedrig bleibt. Dies erkennt man daran, dass alle Spieler ihre Knie in der Wettkampfhaltung leicht gebeugt haben. Ein niedriger Körperschwerpunkt ermöglicht dir, dich mit hoher Geschwindigkeit und maximaler Stabilität in alle Richtungen zu bewegen.
Beobachte, wie niedrig Lopez' Körperschwerpunkt
ist, wenn er sich bewegt.
3. Gerade Rückenhaltung
Alle guten Spieler behalten während einer Rally ihre "Wettkampfgröße" bei. Deine Wettkampfgröße ist 15 – 30 cm geringer als die Größe, die du hast, wenn du aufrecht stehst. Du erreichst diese tiefe Position, indem du deine Knie beugst, um die Hüfte abzusenken. Dein Oberkörper bleibt dabei gerade.
Viele Freizeitspieler haben Probleme damit, ihre Wettkampfgröße während der Ballwechsel beizubehalten, weil sie die hierzu nötigen Bewegungsmuster nicht hinreichend entwickelt haben. Zudem benötigt man eine starke Beinmuskulatur und viel Ausdauer, um den Körperschwerpunkt unten zu lassen. Das Beibehalten der korrekten Wettkampfgröße ist jedoch sehr wichtig. Es ist die Grundlage für die geschmeidigen und flüssigen Bewegungen der Profis. Wer zu aufrecht steht, kann sich nicht effizient über den Platz bewegen. Er verliert leichter die Balance und ermüdet schneller.
Die gerade Rückenhaltung ist eine weitere, wichtige Charakteristik im Zusammenhang mit deiner Wettkampfgröße. Sicher weißt du, dass es ratsam ist, beim Heben schwerer Gegenstände deinen Rücken gerade zu lassen, um Verletzungen zu vermeiden. Dies ist beim Tennisspielen nicht anders. Denn auch hier ist dein Rücken großen Belastungen ausgesetzt, wenn du zu ruckartigen Bewegungen ansetzt.
Niedriger Körperschwerpunkt, aber gerader
Rücken – so soll es sein!
Der erste Schritt
Das Beibehalten eines niedrigen Körperschwerpunkts während der gesamten Rally führt zu den runden und agilen Bewegungen der Profis. Es ist die Voraussetzung für einen explosiven ersten Schritt zum Ball. Mit einem breiten Ausgangsstand kannst du deinen Körper schneller in Bewegung setzen, mehr Power bei deinen Schlägen erzeugen und die Richtung schneller wechseln.
Im Folgenden möchte ich auf zwei fortgeschrittene Techniken eingehen, welche die Profis als ersten Schritt zum Ball benutzen: Den Drehschritt und den Gleitschritt. Welchen Schritt ein Spieler nutzt, variiert in Abhängigkeit von der Breite des Stands und dem Körperschwerpunkt zum Zeitpunkt der Reaktion sowie von der Strecke, die zurückgelegt werden muss.
Eines vorweg: Viele Trainer lehren ihren Schülern, mit dem Fuß, der näher zum Ball ist, einen Schritt nach außen in die Richtung des Balles zu machen. Will Hamilton von FYB, dessen Videos viele von euch sicher schon gesehen haben, tut dies beispielsweise. Daran ist nichts auszusetzen. Diese Technik hilft Anfängern dabei, ihre Grundschläge sauber vorzubereiten. Beherrscht man die Basics der Grundschläge bereits, ist es jedoch ratsam, an fortgeschrittenen Verfahren zu arbeiten, um gegen höherklassige Spieler zu bestehen.
Manchmal machen die Profis den einfachen
Schritt nach außen.
Auch die Profis machen von Zeit zu Zeit den Schritt nach außen, wie ihn FYB lehrt. Unter Druck und bei der Bewältigung großer Distanzen ist diese Technik allerdings nicht optimal, da man es mit ihr nicht schafft, den Oberköper zur Erzeugung von Momentum einzusetzen. Dies ist jedoch für eine explosive Bewegung unabdingbar. Der Drehschritt und der Gleitschritt erlauben dir eine schnellere Reaktion.
Der Drehschritt
Der Drehschritt und das anschließende Abdrücken in die Richtung des Balles ist die am meisten genutzte Technik der Profis. Besonders eignet sich der Drehschritt, wenn der Ball nur ein paar Schritte entfernt ist, d. h. die zurückzulegende Distanz nicht allzu groß ist. Man sieht ihn am häufigsten in Grundlinienrallys im Bereich der Platzmitte und beim Return.
Cilic und Federer drehen ihren inneren Fuß (rechter
Fuß bei der Vorhand, linker Fuß bei der Rückhand)
in die Richtung, in die sie sich bewegen.
Typischerweise sieht man den Drehschritt bei den Profis, wenn ihr Stand etwa doppelte Schulterbreite ist. Zunächst sehen wir ein kurzes, kraftvolles Abdrücken mit dem äußeren Fuß (= der Fuß, welcher weiter weg vom Ball ist). Anschließend wird der innere Fuß (= der Fuß, welcher näher zum Ball ist) gedreht, sodass die Zehenspitzen in die Richtung zeigen, in die sich der Spieler bewegen will.
Das Abstemmen mit dem äußeren Fuß führt dazu, dass sich der Oberkörper über den inneren Fuß bewegt. Dadurch wird Momentum in die Richtung des Schlags erzeugt. Weil sich der Torso nun über dem inneren Fuß befindet, hat dieser maximale Traktion und der Spieler kann kraftvoll antreten. Du kannst dies sehr häufig sehr gut bei den Returns von Roger Federer beobachten.
Beachte jedoch: Wenn du auf rutschigem Untergrund spielst, musst du den Drehschritt mit etwas mehr Vorsicht durchführen. Wenn du dich zu stark mit dem äußeren Fuß abdrücken willst, läufst du Gefahr, deine Bodenhaftung zu verlieren. Die Funktion dieser Technik besteht allein darin, deinen inneren Fuß zu drehen und deinen Körper in Bewegung zu setzen.
Der Gleitschritt
Bei den Topspielern sind die Füße in der Wettkampfhaltung nicht selten dreifache Schulterbreite auseinander. Im Falle einer solch breiten Basis ist der Drehschritt nicht mehr so effektiv, um Momentum mit dem Oberkörper zu erzeugen. Dann greifen die Profis zum Gleitschritt. Dieser Name kommt daher, weil der innere Fuß unter den Oberkörper gleitet, während sich der Spieler mit dem äußeren Fuß abdrückt.
Mit dem äußeren Fuß stemmen Djokovic und
Moya ihren Körper in die Schlagrichtung. Der
innere Fuß gleitet dabei unter den Oberkörper
und sorgt für einen kraftvollen Antritt.
Der Gleitschritt ist die schnellste Art, den Körper ausgehend von einem breiten Stand in Bewegung zu setzen, speziell auf Sand und Rasen. Er ist die bevorzugte Technik der Profis, wenn es gilt, längere Distanzen zum Ball zurückzulegen.
Die Funktionsweise ist folgende: Der Spieler drückt sich mit dem äußeren Fuß, d. h. dem vom Ball weiter entfernten Fuß, ab. Das Körpergewicht wird dadurch bereits in die Richtung des Balles verschoben. Gleichzeitig gleitet der innere Fuß, d. h. der näher zum Ball stehende Fuß, unter den Torso des Spielers. Dies erzeugt Momentum in die Bewegungsrichtung.
Da sich das Körpergewicht über dem inneren Fuß befindet, hat dieser maximale Traktion, sodass der Spieler kraftvoll antreten kann, um die Trägheit zu überwinden und den Körper in Bewegung zu setzen. Das Beherrschen des Gleitschritts ist wichtig, um zu weit entfernten Bällen zu gelangen, plötzliche Richtungswechsel durchzuführen oder einen Zeitvorteil in einer Grundlinienrally zu bekommen.
Schau dir das Video von Federer an. Mit dem äußeren Fuß drückt er sein Körpergewicht in die Richtung des Schlags. Der innere Fuß gleitet währenddessen unter den Oberkörper. Jetzt ist der innere Fuß in einer optimalen Position und ermöglicht Federer, sich explosiv zum Ball zu bewegen. Du kannst das Momentum, welches er erzeugt hat, erkennen, indem du auf den Winkel des Torsos achtest. Sein Oberkörper hat sich leicht in die Richtung des Balles geneigt.
Während sich Roger mit dem äußeren Fuß in
die Schlagrichtung stemmt, gleitet der innere
Fuß unter seinen Körper.
Da der Gleitschritt derart universell unter Topspielern ist, besteht kein Zweifel, dass du dich mit dieser Technik schneller bewegen kannst. Sie kann von elementarer Bedeutung sein, wenn Sekundenbruchteile den Unterschied ausmachen zwischen einer offensiven oder defensiven Antwort auf den Schlag deines Gegners.
Damit sind wir am Ende des ersten Teils angelangt. Im zweiten Teil meiner Serie zu den Grundlagen der Beinarbeit erfährst du, wie du dich an der Grundlinie effizient zum Ball und anschließend wieder zurück Richtung Mitte bewegen kannst. Wir schauen uns zudem die drei wichtigsten Fußstellungen – offen, geschlossen und neutral – an und diskutieren ihre Vor- und Nachteile. Klick nun hier für Teil 2!
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