I. Zur Vorgeschichte (wer nur an Schlägern interessiert ist, kann den ersten Teil überspringen)
Letzten Sommer habe ich nach über 20 Jahren Pause wieder angefangen, Tennis zu spielen. Angefangen habe ich mit 6 Jahren, doch ein Boris Becker ist aus mir nicht geworden. Wenigstens sind wir Altersgenossen. Die Schuld möchte ich nicht abwälzen, aber richtige Trainer gab es damals im Dorfverein nicht. Das machten Studenten nebenbei in den Semesterferien oder irgendwelche braungebrannten Schönlinge, die sich dadurch auszeichneten, die Bälle mehr als 5 mal übers Netz bringen zu können.
Dann erinnere ich mich noch an meine Stoffschühchen und den blauen Kinderholzschläger inklusive Plastikhülle mit dem Fach für drei weiße Tennisbälle. Überhaupt galt die Vorschrift, nur ganz in weiß spielen zu dürfen; bei der heutigen Tennismode wäre das undenkbar. Zum Zahnarzt, der selbstverständlich im gleichen Club spielte, ging man besser ab Dienstag, hatte er montags noch vom Wochenendspiel zittrige Hände. Die Vorstellung für Kinder die Spielfelder zu verkleinern, war noch nicht verbreitet. Irgendwie lernte man es trotzdem, nicht zuletzt durchs das Bearbeiten irgendeiner Garagenwand, die jeden Ball geduldig zurückbrachte.
Irgendwann mit 13 hatte ich eine ehrgeizige Phase und wurde sogar Mannschaftsspieler in der Jugend. Doch die Pubertät bereitete dem ein jähes Ende. Tennis wurde uncool und es gab Wichtigeres: lange Haare, Zigaretten, Gitarrenspielen, Mädchen usw.; da war für ein Tennisyuppiedasein kein Platz mehr. Jeder der damals nicht entweder Fußball oder Handball spielte, war sowieso ein Snob.
Mein Held war John McEnroe, weil alle den Björn Borg (oder den Spassvogel Connors) mochten. Während der Björn diszipliniert cool war, regte sich der John ständig auf, war ein Flegel und wurde erst so richtig gut, wenn Publikum und Schiedrichter ihn hassten. Heute ist er ja ein braver Fernsehkommentator. Als dann die Omis wegen Boris und Steffie anfingen, Tennis im Fernsehen zu schauen und sogar glaubten, mitreden zu können, war es sowieso Zeit, sich abzugrenzen. Es folgte eine lange Tennispause.
Beruflich landete ich durch die Zufälle des Lebens in einem der schönsten Teile dieser Erde, in Oberbayern, im sog. Pfaffenwinkel. Hier wurde ich, nachdem ich ausreichend Großstädte bewohnt hatte, Kleinstadtbewohner. Diese Kleinstadt hat eine sehr schön gelegene Tennisanlage mit 11 Plätzen.
Ich fuhr des Öfteren mit dem Rad vorbei und es überkam mich eine große Sehnsucht. Das sonnenwarme Leuchten der roten Sandplätze löste ein andächtiges Gefühl aus. Was tun? Einfach anmelden? Immerhin war ich ja auch inzwischen ca. 40 kg schwerer und Tennis ist ja kein langsamer Sport.
Nachdem ich den Anmeldbogen von der Vereinswebseite heruntergeladen hatte, meldete ich mich einfach an. Die Aufnahme war herzlich, insbesondere der polnische Platzwart war unersetzlich für erste Kontakte.
Inzwischen weiß ich, die agilste Generation in Sachen Tennis sind die 50-75jährigen, gleichwohl die Jugend im Schatten Federers und Nadals mit Eifer nachwächst: Doch so richtig Hipp ist der Sport für die Kids wohl nicht mehr. Allerorten hört man ja das Klagen vom Niedergang. Die 40er sind so dazwischen und gerade hier gibt es ehrgeizige (Wieder)Anfänger.
Ein paar erste Trainerstunden halfen mir für die ersten wackligen Schritte und Schläge. Die Vorhand war gar nicht so schlecht, recht bald konnte ich wieder ganz ordentlich draufhauen; meine Rückhand war in der Jugend schon mäßig, jetzt war sie unterirdisch; der Aufschlag war katastrophal – die typische Reihenfolge eben. Und immer wieder hörte ich den aufmunternden Satz: Die Ansätze sind noch da, ich müsse halt nur spielen, spielen, spielen. Gottlob halfen mir zwei sehr versierte Rentner, einige Fehler auszumerzen. Ansonsten spielen, spielen, spielen…
Das erste organische Opfer meiner Bemühungen war ein Teil meines linken Innenminiskus. Doch das gehört wohl dazu. Wer ab einem gewissen Alter keine Narben vorzuweisen hat, braucht gar nicht mitreden. Nach einer zum Glück verregneten Zwangspause fing ich wieder an.
Als die Vorhand wieder recht zünftig über Netz bretterte, dachte ich, der Ballermann könne fehlende Technik übertünchen. Ein staatlich geprüfter Tennislehrer auf Rente mit 68 Jahren erbarmte sich meiner. Nach einer ordentlichen Standpauke fing er mit mir noch einmal von vorne an und brachte mir Grundtechniken bei. Seitdem bin ich darüber aufgeklärt, um was es wirklich geht - Kontrolle.
Allmählich wurde es besser, die Rückhand kam öfters und der Aufschlag entwickelte sich zur regelrechten Waffe. Auch Studien meines neuen Idols Federer auf Youtube halfen mir. Ich kann mich kaum satt sehen an seinem Stil. So richtig draufhauen macht mir immer noch Spaß und die Einschläge rücken näher. Wie dem auch sei, Spielpraxis und Übung sind das eine, die Materialschlacht das andere, d.h. insbesondere die Schläger (von der Philosophie der Besaitung müssen wir hier schweigen).
II. Die Schlägerfrage
Mit welchem Schläger fängt man an? Trainerempfehlungen wollte ich nicht so recht trauen. Noch wusste ich aus alten Zeiten, dass die hieraus gerne eine Nebenerwerbsquelle machen und nicht nur zum Vorteil ihrer Schüler. Auch hat jeder Verein irgendeine „Hausmarke“, weil sie vom Trainer empfohlen wird und/oder von einigen Könnern im Verein gespielt werden. Davon wollte ich erst einmal nichts wissen.
Also ab ins Internet, mal schauen, was es da so gibt. Dazu die Testbewertungen berücksichtigen, wie man das halt so macht. Einige Marken waren mir neu: Babolat kannte damals keiner, dafür spielen Donnay oder Snauwaert keine Rolle mehr. Manchmal träume ich noch von meinem geliebten, wunderschönen, dunkelblau lackierten und sehr edel aussehenden Holzschläger von Snauwaert mit Darmseiten. Das Spielgefühl war in meinem Körper eingespeichert und erhob sich zum Maßstab meiner Ansprüche.
Unglaublich, aber zu diesem Gefühl von damals streben Geist und Körper zurück.
Heute klingen die auf Schläger verwandten Techniken nach Wissenschaft: Biomimetic, Nano, neueste Weltraumtechniken aus wertvollsten Rohstoffverbindungen usw. Bis heute weiß ich nicht, ob das nicht alles nur Marketinglyrik für en Stück aus 300 Gramm Kunststoff ist, das in China für wahrscheinlich nicht einmal 15 Euro hergestellt wird. Aber mit dieser Einstellung wären wir ja schon am Ende der Geschichte, wo doch die Reise erst anfängt.
Aus irgendwelchen Gründen ersteigerte ich einen Prince. Der hatte gute Bewertungen, war von der Marke her eher ein Außenseiter und verursachte keine Gesichtslähmung vor lauter schrillfarbenen Aufdrucken. Es war sicherlich ein guter Schläger, doch wusste ich das einfach noch nicht zu würdigen. Es drängte mich weiter und ich erinnerte mich an das Interview eines berühmten Rockgitarristen, in welchem er äußerste: „Wenn man mit seinem Spiel unzufrieden ist, kauft man sich halt ein Effektgerät.“ Mir ging es wahrscheinlich so mit den Schlägern (und Saiten).
Was folgte, war zunächst eine absolut vernünftige Entscheidung: ein Babolat Pure Drive GT in der limitierten roten Jubiläumsversion. Einfluss hatte auch ein Vereinskollege, der mir einen langen Vortrag über sein Dämpfungssystem hielt (er hat den Schläger inzwischen selbst nicht mehr und spielt nun das Djokovic-Modell von Head).
Es gibt Sportskammeraden, die sind bei dem Babolat-Schläger geblieben, seit Jahren, und das war’s dann. Doch zu dieser Sorte Menschen gehöre ich nicht. Das Rot war mir eh zu feminin. Der Schläger war sicherlich gut, aber auch nichts Besonderes. Babolats sind sicherlich solide Schläger, aber für meinen persönlichen Geschmack handelt es sich irgendwie um grobschlächtige Keulen, auch wenn die halbe Welt heute damit spielt.
Also verkaufte ich den Schläger (selbstverständlich mit Verlust). Dann verliebte ich mich während der Lektüre eines Tenniskataloges in einen Pacific Raptor. Er machte auf mich den Eindruck eines guten Arbeitsgerätes mit dem Hauch von Extravaganz. Ich hatte auch mit diesem Schläger Spaß. Mein Spiel stabilisierte sich. Um mehr Kontrolle zu bekommen nahm ich noch kurz den Umweg über den Pacific X Force als Zweitschläger. Auch wir wurden Freunde, doch irgendwann kam Langeweile auf. Außerdem hatte ich bei den Pacific immer das Gefühl, Schläger von Lego in der Hand zu haben (ich liebe Lego, aber eben nicht für Tennisschläger). Auch diese verkaufte ich wieder. Der Raptor ging übrigens nach Schweden, wo er (noch) schwer zu bekommen war.
Die Reise ging weiter mit der Firma Head. Und ich gestehe vorweg: diese Firma hat an mir richtig gutes Geld verdient. Ich verfiel der Radical Serie und erwarb und probierte beinahe sämtliche Ausführungen. Hier stimmte für mich alles; ich halte sie noch heute für mit die schönsten Schläger, wenn man das Orange mag. Auch fühlten sie sich grandios an, glatt, nicht zu dick, haptisch ein Genuss.
Zunächst überforderte ich mich mit dem schweren Modell Radical pro bevor ich ins Gegenextrem eines OS wechselte. Aber auch das Anschauen von Agassi-Returns auf Youtube konnte über das undefinierte Gefühl dieser Großpfanne nicht hinwegtäuschen. Endlich landete ich beim MP. Diese Größe wäre durchaus das richtige für mich gewesen: seine Schönheit, sein Spielgefühl, das Gewicht, der Schwung, eigentlich stimmte alles. Ich kann nicht sagen, weshalb ich trotzdem Abschied nahm, wahrscheinlich aus purer Einfalt.
Da er grade günstig zu haben war, besorgte ich den Wilson K Blade 98. Was ich las gefiel mir, wie z.B. dass es sich um den meist verkauften Schläger der Welt handelte. Also warum nicht mal mit der Masse schwimmen. Ich weiß, über Geschmack lässt sich streiten, aber er schien mir von den Wilson-Schlägern auch der einzig wirklich ansehnliche. Die Headschläger hatte ich noch nicht alle wieder verkauft. Sie liefen in den Hallenstunden im Winter gleichsam parallel mit. Tennisfreunde machten sich inzwischen lustig – „ah, mal wieder einen neuen Schläger!“. Aber da muss man drüberstehen. Ich hatte eine Mission und war noch nicht am Ziel.
In diesem Jahr trat nun folgendes ein: Ich hatte nun einen Schläger, den ich gut fand, aber es drohte Gefahr. Ein verbessertes Nachfolgemodell sollte auf den Markt kommen. Diese Ankündigung strapazierten meine Gefühle und es nagte an mir der Wurm der Begehrlichkeit.
Irgendwann gab ich meinen Widerstand auf und bestellte. Jeder weiß: neueingeführte Modelle haben ihren Preis, ihren Listenpreis; und wir wissen, nur Idioten kaufen zu diesem Preis. Erstmals konnte ich die sonst verachteten Menschen verstehen, die sich immer das neueste Modell ihrer geliebten Automarke bestellen. Ich erwarb einen Wilson BLX Blade 98 in Schwarz und Gold.
Er sollte mein Hauptschläger und das Vorgängermodell der Ersatzschläger werden. Dieses Konzept wäre ja durchaus vernünftig und genügsam, hätte ich nicht ein paar Tage später auf Ebay noch ein besonderes Schnäppchen entdeckt. Ich erwarb einen zweiten Neuschläger bereits für 50 Euro günstiger.
Ok, hier beginne ich mich langsam zu schämen, aber es war einfach so. Anfänglich war ich auch von diesem Schläger begeistert, knallharte Grundlinienschläge und häufiger Asse beim Aufschlag. Jedoch war ich für diesen Schläger einfach noch nicht gut genug. Schulterschmerzen signalisierten mir, dass ich ihn zu selten genau in der Mitte traf und hier kennt dieser Schläger keine Gnade. Eine gewisse Verzweiflung machte sich breit.
Genau zu diesem Zeitpunkt kamen im März die neuen Testberichte des Tennismagazins heraus. Sie bestätigten meine Erfahrung über den BLX Blade 98. Andere Schläger wurden Testsieger. Es dauerte nicht lange und ich war Besitzer eines Head Youtek IG Extreme pro. Freilich war er nicht so gediegen wie der Head Youtek radical pro (fast wie ein Babolat), doch das Spielgefühl sollte entscheiden.
Um es kurz zu machen, es war großartig: mit der Signum Pro Tornado ein fettes, hartes und kontrolliertes Spiel langer Bälle, gefährlich angedrehte Aufschläge, kurz: Spaß auf solider Basis. Ich hätte aber nicht ruhig schlafen können, wenn ich mir nicht noch ein Urteil über den Dunlop Biomimetic Tour 500 zum Vergleich gegönnt hätte. Das ist bestimmt auch ein toller Schläger, doch mir zu bieder. Sicherlich hätte ich ihn mit einer anderen Bespannung als der Dunlop Silk probieren sollen; aber ich war bereits voreingenommen: Dunlop ist für andere.
Finale?
Nun wollte ich die Entscheidung und kurzen Prozess machen. Zwei für mich gute Schläger, der Rest wird verkauft. Die Tage wärmten sich und eine verödete Tennisübungswand eines Vorortes rief zum großen Test. Eine Schlägertasche wurde gefüllt, mit dabei waren: Head Youtek radical pro (wiedergekauft!) sowie der Head Youtek extreme pro, der Wilson K Blade 98 sowie die beiden Wilson BLX Blade 98 mit unterschiedlicher Bespannung (Micronite, NXT).
Um es kurz zu machen. Nach vielem Wechsel und viel vergossenem Schweiß war der Head extreme pro eindeutig in der engeren Auswahl. Doch dann machte ich eine schier unglaubliche Entdeckung: der Wilson K Blade 98, der als Auslaufmodell in meiner Aufmerksamkeit eher ein Schattendasein führte, bereitete auf einmal unglaublichen Genuss. Möglicherweise lag es auch an der Hybridsaite (Head IntelliTour), doch ich konnte kaum mehr aufhören mit diesem Schläger an die Mauer zu dreschen.
Ein Glückshormonschub durchströmte Körper und Geist. Da war es, das Gefühl wonach ich gesucht hatte, zumindest für diesen Tag. Hat die Suche damit ein Ende? Wer weiß das schon (es reizt mich, auch einmal die Tour-Variante des neuen Blades auzuprobieren, nicht zuletzt aufgrund eines in diesem Forum eingestellten Vidios).
Letztlich landete ich also bei einem Auslaufmodell. Viel hängt ja auch von der Tagesform ab. Egal, es gäbe noch viele Schläger auszuprobieren. Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass sich mein Spiel mit all diesen Schlägern inzwischen allmählich verbessert hat.
GOX
Schlägerodyssee eines Wiederanfängers
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#3gox kommentierte13.10.2011, 08:23Kommentar bearbeitenZitat von gox;bt788
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#4gox kommentierte13.06.2012, 10:23Kommentar bearbeitenZitat von gox;bt837
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#5Dora kommentierte11.07.2013, 20:17Kommentar bearbeitenIch habe es sehr genossen deine Geschichte zu lesen. Ein wenig erkenne ich mich da wieder, auch wenn es bei mir nicht ganz so extrem ist. ;-)
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