In einem netten Spielfilm hörte ich neulich die Ermahnung des Großvaters, der seinen Enkel im Tennis abgezogen hatte: „Merke dir, du lernst nichts aus den Siegen, du lernst nur aus den Niederlagen, du solltest sie nur nicht zur Gewohnheit werden lassen.“ Und genau so ist es. Womöglich ist Sport deshalb charakterbildend.
Tennis ist ein körperlicher und geistiger Kraftakt. Letztlich verlieren wir nicht gegen Schläger, Besaitungen, Ausrüstungen, Taktiken usw. Wir verlieren gegen Menschen und oft verlieren wir sogar gegen weitaus "schlechtere" Spieler. Das ist kein Geheimnis und wurde oft beschrieben. Dessen ungeachtet überkam mich der Drang, ein paar Erfahrungen als Wiederanfänger aus meinem ersten Wettkampfjahr zu beschreiben. Möge der eine oder andere an diesen Portraits Spaß haben, weil er die Erfahrungen teilt, auch wenn er wahrscheinlich ein sehr viel besserer Spieler ist als ich.
Der Bescheidenheitsschwätzer und Runterlober
Kennt ihr den? Ihr seid gut drauf, in richtig guter Stimmung, der erste Satz läuft hervorragend, denn: der Gegner hat schlechte Kondition, wenig richtig gute Schläge und gibt sich zudem noch bescheiden. Er lobt dich umso mehr und spielt seine Leistungen in der Saison runter. Er lullt dich ein. Er will unbedingt nett sein, er will dein Freund sein.
Du liegst eh 5:1 vorne und was juckt dich das Geschwätz in den Wechselpausen: ob ich wirklich nur diese LK hätte, dass das Spiel ja schnell rum sei, wenn das so weiter gehe, dass er keine so harten Schläge drauf habe … bla, bla bla.
Der erste Satz wird dann auch souverän durchgezogen. Dann fangen auf einmal die Probleme an. Dein Gegner hat dich mit seinem Gesülze eingeseift. Du fühlst dich klar vorne, siehst dich als Gewinner, zählst schon die LK Punkte, bist schon beim Weizenbier usw. Auf einmal verlierst du deinen Aufschlag und der Gegner liegt nach seinem 2:0 vorne. Du kämpfst dich wieder heran, doch dein Gegenüber wird immer besser, zumindest kommt es einem so vor.
Vielleicht spürt er, dass du nicht bei der Sache bist. Deine Körperspannung scheint erschlafft, denn im Geiste bist du mit dem Match ja schon fertig, wenn es so weitergeht wie im ersten Satz. Es geht aber nicht so weiter, wie im ersten Satz: Es beginnt (wie immer) mit Doppelfehlern; es schleichen sich zudem ungeduldige Bolzer ein, die ausgehen. Zu kurz gekommene Bälle auf die T-Linie werden nicht mehr in Winner verwandelt. Auf einmal steht es 4:4.
Das Spiel wird jetzt anstrengend. Dein Gegner spielt immer noch kein gutes Tennis, aber es reicht für dich. Du wirst müde, du fühlst dich betrogen mit jedem Punkt deines Gegners, du kommst schlecht drauf, wirst gehässig, die Zuschauer gehen dir auf einmal auf die Nerven (klar, sie sehen ja zu, wie dir die Felle davon schwimmen).
Das macht alles keinen Spaß mehr. Er hat es geschafft. Es gibt T-Break, den er gewinnt. Und er gewinnt auch noch den Match-T-Break, knapp und umso schmerzlicher. Er ist fröhlich, freut sich über seinen Sieg; das muss er auch, denn mit diesem Tennis zu gewinnen, ist wirklich großartig. Er hat dich im Kopf besiegt und du hast gegen dich selbst verloren.
Die Wand oder der Ballschubser
Die Wand ist als Spielertyp ein Klassiker, oft beschrieben, weil unfassbar ärgerlich für jeden, der diesen Sport liebt. Er gehört gesetzlich verboten, ist aber so bekämpft, verbreitet und unausrottbar, wie Kriminalität oder Seuchen.
Die „Wand“ bringt jeden Ball zurück, egal, was du anstellst. OK, vielleicht nicht jeden Ball, aber mehr als du und das genügt. Er bringt um so ärgerlicher gerade jene Bälle zurück, in die du alles hineingegeben hast, inbesondere jene, bei denen du dich als überlegener Hardhitter fühltest, die du ihm regelrecht rein gedroschen hast.
Die Wand ist jene Schwelle, die man überwinden muss, um in eine Spielstufe zu gelangen, wo sie seltener wird. Hat man diese noch nicht erreicht, ist sie für jeden, der schöne Schläge, harte und schnelle Ballwechsel an diesem Sport liebt ein Horrorszenario. Wer Niederlagen gegen eine Wand einstecken musste, der wird das nie oder zumindest lange nicht vergessen.
Die Wut, der Hass, all der vergeblich vergossenen Schweiß bei den aus Ungeduld in Aus gehämmerten Bällen, die Übellaunigkeit wegen der überhasteten Aufschläge; und die Wand grinst dich nur umso freundlicher an, je mehr du auf sie einprügelst.
Die Wand kann dir hier all das zurückgeben, was sie im Alltagsleben einstecken muss. Vielleicht ist es seine geheime Rache für all die fehlende Ankernnung und Langeweile im Alltags- und Berufsleben, für seine ins Nichts führende Beharrlichkeit, seine antiproportional zum eigenen Vermögen stehende Hartnäckigkeit, sein Neid auf den Spaß anderer. Und dabei gibt er sich auch noch bieder, nett und unscheinbar.
Ein Spiel mit der Wand ist mehr als eine Geduldprobe, eine Zerreißprobe, ein unglaublich hartes Stück Arbeit, welches mit Spaß am Sport rein gar nichts zu tun hat. Hier prallen womöglich Mentalitäten aufeinander, die sich im Spiel im Unterschied zum Alltagsleben nicht aus dem Weg gehen können.
Man kann diesem Typus das Spielen nicht verbieten, also muss man ihn als harte Prüfung nehmen, an der man reifen kann.
Ein Trost ist: die Wand erreicht einmal eine Art „Sicherheitsstatus“ und entwickelt sich von da an nicht mehr weiter. Irgendwann hat man diesen Typus geknackt und hofft nicht mehr auf ihn zu treffen (villeicht vergeblich). Treffen zwei SPieler dieses Typus aufeinander, dauert die Zermürbung mehrere Stunden. Man könnte sich das sadistisch anschauen, wäre es nicht so langweilig.
Der unterschätzte Schweiger
Der unterschätzte Schweiger zieht sein Ding durch. Er kümmert sich nicht groß um dich. Er ist dabei nicht unhöflich, aber sein Lächeln kann den Hauch überheblicher Unbekümmertheit nicht ganz verleugnen. Es ist seine Erfahrung, die ihn gelassen macht. Er wirkt, als habe er das Match bereits gespielt, bevor ihr euch aufgewärmt hat.
Seine Tasche und seine Schläger sind alt, viel benützt, sie haben Geschichte. Seine Ausrüstung stammt vielleicht noch aus den 80ern. Möglicherweise teilt er dir sogar mit, dass er wegen eines Bandscheibenvorfalls den Aufschlag nur von unten machen wird, während er seine Zigarette vor dem Spiel ausmacht.
Du hast ungefähr vier Spiele abgegeben, bis du überhaupt kapiert hast, was vor sich geht. Es ist schrecklich. Er spiegelt dich. Haust du fest drauf, bringt er die Bälle härter zurück. Fängst du an, die Bälle anzudrehen, wird er dir umso übler mitspielen. Deine Stopps können gar nicht klappen, weil du bereits entnervt bist.
Und wie kann der platzieren! Er kann dir den Ball so genau ins Feld setzen, als habe er sie dort höchstpersönlich mit einer Streicheleinheit herübergetragen und abgelegt. Er trifft die Linien, die Ecken, alles was dich verzweifeln läßt. Du findest keine Mittel, weil du keine hast. Dir fehlen mindestens 20 Jahre Erfahrung. Du hast das Spiel schnell innerlich aufgegeben. Äußerlich bist du das Instrument seiner Willkür. Er spielt mir dir, wie die Katze mit der Maus.
Du wirst wenig Schweiß im Angesicht des Schweigers finden, wenn er seinen Sieg gelassen zur Kenntnis nimmt. Du warst wieder nur so einer von diesen Typen mit neuer Ausrüstung, die glauben, sie könnten inzwischen Bälle spielen. Der Schweiger wird dir diese Hoffnung nehmen. Auch hier wird Verdrängungsarbeit wichtig. Leute im Club, die dich mögen, konnten das Ganze nicht mit ansehen. Sie haben sich längst aus Mitleid vom Spielfeldrand abgewendet. Gut wenn es wenigsten schnell ging.
Gegner, Menschen und bittere Lehrstunden
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Gegner, Menschen und bittere Lehrstunden
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#1Gast kommentierte08.08.2011, 17:10Kommentar bearbeitenNetter Artikel!
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#2gulbisfan kommentierte19.03.2012, 12:36Kommentar bearbeitenhab meine gegner teilweise wieder erkannt. Lustig zu lesen
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