Von Tüftlern geht eine eigene Faszination aus, vielleicht weil sie nicht selten derart besessen von einer Sache sind, dass zweckrationale und wirtschaftliche Interessen dabei kaum mehr eine Rolle spielen. Es geht um die Sache selbst, den Selbstzweck, eine Mission die verfolgt werden muss, egal, was dabei herauskommt.
So stelle ich mir das auch im Jahr 1976 bei Werner Fischer vor, jenem Gärtner aus Vilsbiburg in Niederbayern, der unzählige Stunden an seinem neuen Konzept der Besaitung eines Tennisschlägers herumgetüftelt haben muss und so erfolgreich war, dass die ITF schließlich sein Besaitungsbild verbieten musste.
Es gibt im Netz eine liebevoll gepflegte Seite zum Tennis der 80er Jahre, die ihm einen ausführlichen Bericht gewidmet hat: http://www.80s-tennis.com/pages/vils...r-fischer.html
Darüber hinaus habe ich einen Händler entdeckt, so seine Schläger sogar noch zu haben sind. Immerhin wird diese Besaitungskunst mit 400 Euro gehandelt, vgl. http://www.thevintager.de/epages/637...egory2/Kuebler
Aufgrund der beiden Links, wo es ausreichend Bilder gibt, um die Kunstwerke zu bewundern, kann ich hier auch auf Fotos verzichten.
Wie ihr seht, wurde sein Besaitungskonzept in Kooperation mit Siegfried Kuebler vertrieben, einem anderen Tüftler, der die Tenniswelt durch seine neuartigen Rahmen revolutionierte. Aus antiquarisch erworbenen Festschrift zur Firma Kuebler habe ich dann auch einen Absatz gefunden, den ich hier zitieren möchte:
„Warum sollte die Saite nur in Schlagrichtung des Schlägers nachgeben und zurückschnellen? Warum nicht auch beim Hochziehen des Schlägers in senkrechter Richtung hierzu? So erfand er die Doppelbespannung, auch Vilsbiburger- oder, wie in Amerika, Spaghettibespannung genannt, bei der auf beiden Seitden der Quersaite untereinander verbundene oder gekoppelte Längssaiten mehr oder weniger frei gleiten konnten. Die nun auch quer zur Schlagrichtung zurückschnellenden gekoppelten Längssaiten verliehen dem Ball einen solchen Drall, daß er ein erratische Flugkurve erhielt, am besten noch vergleichbar mit einem extrem geschlagenen Topspin, und vom Bodenunkontrolliert absprang. Das Tennisspiel war nicht mehr dasselbe, Starke Spieler verloren gegen schwache. Die Vilsbiburger Mannschaft, zuvor unbekannt, stieg in die höchste deutsche Spielklasse, die Bundesliga, auf! Die Tenniswelt war auf den Kopf gestellt.“ (Vgl. Siegfried Kuebler: Zwanzig Jahre Tennisschläger. Die Geschichte meiner Tennisschläger und noch etwas mehr (1972-1991). Hg. von der Firma Kuebler GmbH. Singen 1992, ISBN 3-9802903-0-1.)
Als Hobby-Besaiter liebe ich solche Geschichten, habe großen Respekt vor der Leistung des Werner Fischer, starre auf die Bilder und denke, was und wie hat er das nur gemacht. Wer könnte heute noch so besaiten? Wahrscheinlich bin ich aber froh, dass sich dieser Schläger nicht durchgesetzt hat. Tennis wäre bestimmt nicht mehr derselbe Sport.
Bei zu erratischen Flugkurven geht dann doch der Sinn des Spiels verloren bzw. wird zum Glücksspiel, das aber aber wieder Spaß machen kann, wenn beide Seiten so eine Besaitung nutzen.