Über die Erzeugung müheloser Power
Hast du schon einmal staunend vor dem Fernseher gesessen und dich gefragt, wie die Profis mit ihren mühelos wirkenden Schwüngen derart viel Power erzeugen können?
Um die Vorgänge im Schwung verstehen zu können, müssen wir uns zunächst vergegenwärtigen, dass unser Körper nicht aus Einzelteilen besteht, die voneinander unabhängig sind. Vielmehr besteht er aus einer Reihe von Knochen, die über Gelenke und Muskeln miteinander verbunden sind. Die Bewegung eines Körperteils hat daher immer einen Einfluss auf ein anderes Körperteil.
Indem wir unsere Muskeln und Gelenke in einer bestimmten Reihenfolge bewegen, können die Kräfte, welche dabei im Körper entstehen, aufeinander aufbauen und kontinuierlich zunehmen. Das Ergebnis ist eine weitaus größere Kraft, als sie die einzelnen Muskelgruppen für sich allein erzeugen können. Biomechaniker haben für diesen Vorgang die Bezeichnung "kinematische Kette" eingeführt.
Die Bestandteile der kinematischen Kette sind die Füße, die Knie, die Hüfte, die Schultern, der Ellenbogen, das Handgelenk und der Schlägerkopf. Die Bindeglieder sind die Muskeln, welche die einzelnen Segmente miteinander verbinden. Beispielsweise verbinden die Rumpfmuskeln die Hüften mit den Schultern. Nur wenn die Rotation aller Körpersegmente zeitlich richtig aufeinander abgestimmt ist, entsteht die mühelose Power der Profis.
Roger Federer nutzt den ganzen Körper, um
den Schläger zum Ball zu beschleunigen.
Damit die kinematische Kette ihre Wundertat vollbringen kann, ist die richtige Vorbereitung kritisch. Unsere Muskeln sind sehr elastisch und arbeiten auf ähnliche Weise wie ein Theraband. Durch das Vordehnen von Ober- und Unterkörper während des Rückschwungs wird Energie in den Muskeln gespeichert. Im Vorwärtsschwung setzt sich diese Energie frei und erhöht dadurch die Fähigkeit der Muskeln zur Krafterzeugung. Dieses Prinzip vom "Laden" und "Entladen" der Muskeln ist für das Entstehen von Power und Schlägerkopfgeschwindigkeit von zentraler Bedeutung.
Um zu überprüfen, ob du deine Muskeln vollständig und rechtzeitig vordehnst, kannst du dich an folgenden Punkten orientieren: Wenn der Ball auf deiner Platzhälfte aufspringt, sollten deine Schultern etwa 90 Grad zum Netz sein, der linke Arm sollte zum rechten Seitenzaun zeigen und das rechte Bein sollte im Knie leicht gebeugt sein (s. Video).
Schultern gedreht, linker Arm gestreckt, rechtes
Bein gebeugt. Wenn du zum Zeitpunkt des
Ballabsprungs in diese Position gelangst, bist
du ideal für den Vorwärtsschwung präpariert.
Die Energie, welche du in deinen Muskeln gespeichert hast, enlädt sich im Vorwärtsschwung von unten nach oben. Wenn das Timing stimmt und alle Segmente in der richtigen Reihenfolge rotieren, vergrößert sich die Kraft entlang der kinematischen Kette kontinuierlich. Dies hilft dir dabei, den Ball druckvoll und konstant zu spielen. Außerdem reduziert sich dein Verletzungsrisiko, da diese Art der Krafterzeugung sehr effizient ist und vor schneller Ermüdung schützt.
Problematisch wird es, wenn ein Teil der Kette aufgrund einer Bewegungseinschränkung ausfällt. In der Folge kommt es zu Kompensationsbewegungen. Eine Kompensationsbewegung ist eine ausschweifende Bewegung in einem Bereich, die aufgrund einer fehlenden Bewegung in einem anderen Bereich entsteht. Dies führt zu einer Unterbrechung der kinematischen Kette und geht mit dem Verlust der bis dato akkumulierten Energie einher. Ferner erhöht sich das Verletzungsrisiko, da einige Körperteile nun besonders belastet werden (Spieler schwingt z. B. nur aus dem Arm). Dein örtlicher Tennistrainer kann Kompensationsbewegungen identifizieren und dir dabei helfen, den "Fluss" wieder herzustellen.
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