Wenn gut nicht gut genug ist
Möchtest du immer dein bestes Tennis zeigen, wenn du auf den Platz gehst? Bist du schnell frustriert, wenn du ein paar schlechte Punkte hintereinander spielst? Machst du den Genuss deines Erfolges davon abhängig, ob du "schön" gespielt hast?
Wenn du diese Fragen mit "Ja" beantwortest, bist du wahrscheinlich ein Perfektionist. Hohe Ansprüche an die eigene Leistung zu stellen ist nicht per se schlecht. Menschen mit einer funktionalen perfektionistischen Einstellung zeichnen sich durch eine hohe Motivation, Gewissenhaftigkeit und Regelbewusstsein aus. Problematisch wird es, wenn durch die hohe Erwartungshaltung die Angst vor Fehlern überhand nimmt oder ein kleiner Makel bereits als Scheitern gilt.
Solch schädlicher Perfektionismus kann vielerlei Ursachen haben, vier häufige sind:
- Zweifel an der eigenen Leistungsfähigkeit – "Ich bin nicht gut genug."
- Einseitige Bewertung von Misserfolgen – "Ich habe einfach versagt."
- Schwarz-Weiß-Denken – "Nur eine fehlerfreie Leistung ist eine gute Leistung."
- Streben nach sozialer Anerkennung – "Mein Umfeld akzeptiert mich nur, wenn ich Außergewöhnliches leiste."
Ein derartiges Selbst- und Weltbild befeuert die Angst vor Fehlern, die – je stärker sie wird – einen immer größeren Einfluss auf das Denken, Fühlen und Handeln des Spielers ausübt. Selbst nach kleineren Missgeschicken kommt es zu nicht enden wollen Selbstpeinigungen und Grübeleien, Minderwertigkeitsgefühle machen sich breit und wichtige Entscheidungen (z. B. ein Strategiewechsel) werden immer wieder aufgeschoben.
Ganz gleich was du tust:
Fehler lassen sich nicht vermeiden.
Was kannst du tun, wenn du ähnliche Tendenzen bereits bei dir beobachtet hast, wenn du spürst, dass deine hohen Ansprüche dich eher lähmen als dass sie zur Lösung deiner Aufgaben beitragen? Drei Dinge möchte ich anführen, auf deren Einhaltung hin ich mich auch immer wieder mal ermahnen muss:
1. Realistische Ansprüche stellen! Ganz gleich was du tust: Du wirst immer Fehler machen. Diese (unbequeme) Tatsache ist unabänderbar. Eine realistische Sichtweise mit Niederlagen umzugehen, besteht darin, sie als Teil eines langfristigen Entwicklungsprozesses zu betrachten. Erinnere dich an deine Tage als blutiger Anfänger und kontrastiere deine Fähigkeiten von damals mit denen von heute. Mittels langfristiger Vergleiche lernst du deine Leistung besser wertzuschätzen.
2. Das Ergebnis akzeptieren! Gestehe dir ein, dass du mit jedem einzelnen Schlag einen Winner oder einen Fehler, etwas Gutes oder etwas Schlechtes bewirken kannst. Entscheidend ist, dass das eine für dich genauso akzeptabel ist wie das andere. Nicht akzeptabel wäre nur, es nicht versucht zu haben. Auf diese Weise kreierst du eine mentale Umgebung, die dir gestattet, das Racket locker und frei zu schwingen.
3. Anfangen! Was immer es ist, das du begehrst, sei es ein bestimmtes Maß an Fitness, das Erlernen neuer Schlagkombinationen zur Erweiterung deiner taktischen Optionen, oder eine Steigerung deiner mentalen Fertigkeiten: Du überquerst den Fluss nicht, indem du auf das Wasser starrst und darauf hoffst, dass eine Brücke aus dem Nichts entsteht. Fang an!
Zum Schluss: Das Lesen und Bejahen dieser Prinzipien allein nützt dir nichts. Du musst dich immer wieder aktiv an sie erinnern, um sie dauerhaft zu einem Bestandteil deines Selbst werden zu lassen.
Kleine Missgeschicke, die unvermeidbar sind, zu fürchten und sich bei ihrem Eintreten mental zu peinigen, macht unser Leben / das Tennisspiel unnötig emotional. Seien wir lieber gesunde Perfektionisten: Stecken wir uns anspruchsvolle, aber erreichbare Ziele und genießen den uns dabei beschiedenen Erfolg – ohne Angst, auf dem Weg dorthin auch mal einen Fehler zu machen.
Spindoc
Literatur:
Altstötter-Gleich, Christine (2010). Ich will so gut sein, wie ich kann, in: Psychologie Heute, Heft 10
Fox, Allen (2010). Tennis: Winning the Mental Match