Ein Tennisriese und ein Promiplagegeist
Kaum habe ich den Haupteingang passiert, steht er schon vor mir. Nein, nicht Roger Federer, sondern Promiplage und Tennisdauergast Roberto Blanco. Im Schlepptau seine Freundin, die in etwa so alt ist wie die Gerry Weber Open in diesem Jahr. Na dann, denke ich, kann es ja losgehen.
Den Anfang macht Cedrik-Marcel Stebe, der gegen Carlos Berlocq ein sehenswertes Match abliefert, das erst nach 3 Sätzen und 166 Minuten sein Ende findet. Stark: Stebe behält die Nerven, lässt sich auch von 7 vergebenen Matchbällen bei 5:4 im Dritten nicht aus der Konzentration bringen. Den 8. nutzt er dann zwei Spiele später mit einem Longline-Return vor die Füße des nach vorn stürmenden Argentiniers.
Weniger Mühe hat anschließend Mikhail Youzhny mit Robin Haase. Der Niederländer wirkt zu keinem Zeitpunkt, als fühlte er sich wohl auf dem weichen Untergrund. Youzhny ist der überlegene Spieler in den Grundlinienduellen und auch mental auf einem höheren Level. Sein nächster Gegner: "The Dog" Dolgopolov. Oh ja!
Bevor es mit dem angekündigten Topmatch des Tages zwischen Titelverteidiger Philipp Kohlschreiber und Dustin Brown weitergehen kann, müssen sich die Zuschauer erst noch eine Choreographie von Detlef D. Soost gefallen lassen, die dieser ihnen kurzerhand beibringt. Da ich Menschen mit Heliumstimme prinzipiell nicht ernst nehmen kann, bleibe ich demonstrativ sitzen.
Kohli lässt sich – jetzt bei geschlossenem Dach – von Wildcard-Starter Brown in den ersten 20 Minuten überraschend den Schneid abkaufen. Der Deutsch-Jamaikaner brilliert mit Chip-und-Charge, während Philipp noch seinen Aufschlagrhythmus sucht. Kohlschreiber, laut eigener Einschätzung in "Bestform" angereist, benötigt letztlich zwei Tie-Breaks, um sich durchzusetzen.
Ließ keinen einzigen Breakball gegen sich zu: Milos Raonic.
Mit besonderer Vorfreude fiebere ich dem ersten Auftritt des Kanadiers Milos Raonic entgegen. Und WOW: Was für ein Aufschlag. Große Spieler haben wegen ihrer Winkelvorteile technische Perfektion nicht unbedingt nötig. Bei Raonic (1,96m) kommt jedoch beides zusammen: Geschwindigkeit und Ästhetik. Eine wunderbar rhythmische Bewegung, mit der er den Ball auf bis zu 236 km/h beschleunigt. Zwar kann Petzschner Raonic’ eingeschränkte Beweglichkeit dann und wann mit gut platzierten Stoppbällen für sich ausnutzen, aber gegen die Aufschlaggeschosse im Tie-Break des zweiten Satzes findet er kein Gegenmittel.
Ein toller erster Tennistag geht zu Ende. Morgen steht u. a. das Duell der Generationen auf dem Programm: Tommy gegen Tomic. Kann es kaum erwarten. Jetzt stehe ich erst mal vor meinem Hotelzimmer und traue mich kaum, den Schlüssel umzudrehen. Ich habe Angst, Roberto Blanco könnte hinter der Tür stehen.
Spindoc