Eine Trainerstunde mit Bill Tilden
Die heutige Generation kennt ihn nur noch vage. Doch in seiner Glanzzeit, den 1920er Jahren, war er die Galionsfigur des Tennissports. Sein Bekanntheitsgrad war vergleichbar mit dem der Golflegende Bobby Jones und der Baseballikone Babe Ruth. "Er spielte für sich, sein Land und die Nachwelt" heißt es in seiner Biografie. Die Rede ist von William Tatem Tilden II., genannt "Big Bill".
Tilden ging 1920 in die Analen als erster amerikanischer Wimbledon-Sieger ein. Bis heute ist er der älteste Sieger bei dem Traditionsturnier. Bei seinem dritten Triumph 1930 war er 37 Jahre alt. Die U.S. National Championships gewann er zwischen 1920 und 1925 ununterbrochen, ein weiterer Sieg folgte 1929. Siebenmal holte er mit den USA zudem den Davis Cup (1920-26).
Auf dem Platz war Bill Tilden Virtuose, Schauspieler und Dominator. Abseits der weißen Linien setzte er seinen Ruhm und sein persönliches Glück leichtfertig aufs Spiel. Wegen sexueller Belästigung von Jugendlichen verbüßte er 1946 und 1949 Gefängnisstrafen. Sein Ruf blieb nachhaltig geschädigt. Die Tennisszene versuchte sich jahrzehntelang von ihm zu distanzieren, doch sein Platz in der Geschichte ließ und lässt sich nicht leugnen.
Tilden studierte das Spiel wie keiner vor ihm. Sein Buch "Match Play and the Spin of the Ball", in dem er Technik und Drall eingehend beschreibt, ist ein zeitloser Klassiker der Tennisliteratur. Auf YouTube habe ich dieser Tage zwei seltene Lehrvideos von ihm gefunden. In jenem, welches wir uns nun gemeinsam anschauen möchten, erklärt er den Volley, den Überkopfball und den Twist-Aufschlag. Genießt diese Rarität!
Big Bill & "The Kid": Die Aufnahme stammt
vermutlich aus Kalifornien aus dem Jahr 1948.
Die wichtigsten Aussagen Bill Tildens noch einmal in Kurzfassung:
Zum Volley:
Vor- und Rückhand-Volley sowie Überkopfball werden mit dem gleichen Griff gespielt wie der Aufschlag. Der Schlägerkopf ist zudem schräg nach oben angewinkelt.
Die Entfernung zum Netz beträgt 6 – 8 Fuß (etwa 2 m). Beim Vorhand-Volley erfolgt der Schritt zum Ball mit dem linken Fuß, beim Rückhand-Volley mit dem rechten Fuß.
Um dem Ball auszuweichen, macht der rechte Fuß beim Vorhand-Volley einen Schritt nach hinten. Beim Rückhand-Volley entsprechend der linke Fuß.
Der Rückschwung ist minimal und der Ausschwung fast nicht vorhanden. Im Treffpunkt sollte das Handgelenk fest sein. Der Ball wird vor dem Körper geblockt.
Zum Überkopfball:
Die Bewegung erfolgt seitlich nach hinten. Dabei sind die Augen auf den Ball gerichtet und der Schläger wird rechtzeitig in Position gebracht. Anschließend dem Ball nach vorne folgen.
Während des Schlags sollte mindestens ein Fuß am Boden bleiben, um die Balance zu wahren. Der Treffpunkt ist so weit oben, wie es die Reichweite erlaubt.
Zum American-Twist:
Die Ausgangsstellung ist seitlich zum Netz. Der Ball wird links des Kopfes geworfen. Der Schläger schwingt, nachdem er hinter den Rücken gelangt ist, von links an den Ball heran.
Er schwingt nach oben und über den Ball. Der Ausschwung endet rechts vom Körper. Dieser Schwungverlauf stellt die hohe Flugkurve sicher. Die Handgelenksdrehung erzeugt den Twist.
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