Damentennis ist toll!
Ein Tipp vorweg: Wenn ihr einmal ein Tennisturnier besucht, kauft euch nicht einfach irgendein Tribünenticket. Investiert lieber ein paar Euro mehr und gönnt euch einen Platz in den ersten sieben bis neun Reihen hinter einer der beiden Grundlinien. Ich verspreche euch, das Erlebnis von dort ist um ein Vielfaches genialer als von jedem anderen Platz. Ihr werdet Dinge sehen, die ihr im Fernsehen nie zu erahnen bekommt.
Was mich in dieser Woche von Stuttgart beeindruckt hat, ist die geringe Höhe, mit welcher die Damen ihre Schläge über das Netz zirkeln. Ob Sharapova, Ivanovic oder Kvitova: Sie alle spielen derart flach, dass einem teiweise der Atem stockt. Das Viertelfinale von Sharapova und Ivanovic beispielsweise glich im dritten Satz einem Boxkampf mit Einschlägen links und rechts. Wer ernsthaft glaubt, als Mann gegen die Damen eine Chance zu haben, wird nach solch einem Erlebnis auf ewig schweigen.
Die On-Court-Pespektive offenbart die meisten Details.
Mit den flachen Schlägen einher geht natürlich immer auch ein hohes Risiko. Was in dem einen Moment gut geht, kann im nächsten Moment schon wieder völlig schieflaufen. Eine Änderung hin zu mehr Topspin vollziehen die Damen meist nicht, sodass einem guten Spiel sofort wieder ein schlechtes folgen kann. Das macht die Matches der Damen ein Stück weit unberechenbar. Dennoch: Die häufig geäußerte Kritik, im Damentennis würde Strategie keine Rolle spielen, halte ich für unberechtigt.
Zwar mögen Sharapova & Co. die ganze Bandbreite, die der Tennissport an Taktik zu bieten hat, nicht voll aufschöpfen, aber ich habe diese Woche jede Menge taktische Überlegungen am Werk gesehen. Zum Beispiel variierende Returnpositionen, um die Gegnerin zu einem bestimmten Aufschlag zu zwingen. Oder die Platzierung der Grundschläge. Nicht bei jedem Schlag gehen die Spielerinnen an die Linien ran, sie variieren das Tempo ihrer Aufschläge und setzen kluge 2-Schlag-Kombinationen ein. Wer genau hinsieht, erkennt jede Menge solcher Dinge. Ja, Damentennis kann unterhaltsam sein.
Heute stehen die Halbfinals auf dem Programm. Sharapova gegen Kerber wird sicherlich ein Highlight. Aber auch auf Li Na und Bethanie Mattek-Sands freue ich mich. Es ist immer toll zu sehen, wenn einer Spielerin bei einem großen Turnier der Durchbruch gelingt. Mattek-Sands, die sich hier durch die Qualifikation kämpfte, scheint neben ihrer Power auch einiges an Gefühl mitzubringen. Krachende Longline-Returns habe ich von ihr gestern ebenso gesehen wie tolle Volleystopps und kurze Slice-Rückhände cross-court. Kann es kaum erwarten, mehr über sie in Erfahrung zu bringen. Dazu noch zwei schöne Doppel mit Lisicki/Barthel und Kerber/Petkovic. Was will man mehr.
Spindoc