Stuttgart 2013 – Ein Resümee



Beim Auspacken meines Koffers hallt mir ein Satz noch in den Ohren: Wenn sie mich als Coach hätte, wäre sie total verwirrt. Aber der Reihe nach. Der Porsche Tennis Grand Prix 2013 ist Geschichte. Im Einzelfinale setzte sich Maria Sharapova in zwei Sätzen gegen Li Na durch, im Doppel krönten Sabine Lisicki und Mona Barthel eine erfolgreiche Woche aus deutscher Sicht. Eine Menge Weltklassetennis durfte ich von Dienstag bis Sonntag erleben. Ein Resümee.


Der Sport: Top!

Maria Sharapova hat sich den Titel redlich verdient. Bis sie den Schlüssel für ihren zweiten Porsche entgegennehmen konnte, musste sie Lucie Safarova, Ana Ivanovic, Angelique Kerber und Li Na aus dem Weg räumen. Kein einfaches Draw. Jede Spielerin hat ihre eigenen Qualitäten und verlangte der Russin alles ab. Bis auf das Finale gingen alle Matches über drei Sätze, fast zehn Stunden mühte sich Sharapova ab. Aber sie hat es genossen. Lieber spiele sie vor einer Kulisse wie in Stuttgart umkämpfte Matches, als sich den einsamen Trainingswochen in Florida auszusetzen, sagte Maria den Journalisten – und lobte sogleich die Zuschauer für deren Tennissachverstand.

Sehr gut gefallen hat mir Marias Rückhand. Die Richtungswechsel, die sie mit diesem Schlag vollziehen kann, sind der Wahnsinn. Wie sie es schafft, die Bälle derart flach und gleichzeitig so konstant reinzuhämmern, ist mir immer noch ein Rätsel. Dazu kommt ihre Ausstrahlung auf dem Platz. Kaum ein Blick geht ins Publikum. Keine Ablenkung lässt sie zu. Gegen Kerber hatte sie ein kleines Tief im zweiten Satz. Aber sie schaffte es, ihr Momentum schnell wiederzufinden. Nach jedem Punkt dreht sie sich weg, atmet einmal durch, ballt die Faust und ist sofort wieder fokussiert. Beeindruckend!

Vor dem Finale konnte ich sie auf dem Center Court, ebenso wie Li Na, noch kurz trainieren sehen. Beide spielten sich jeweils 40 Minuten lang ein. Li ließ es lockerer angehen, wollte wahrscheinlich nur ein Gefühl für den Ball bekommen, Sharapova übte noch einmal das Rutschen zum Ball. Besser gesagt: Thomas Högstedt ordnete es an. Dieter Kindlmann auf der anderen Seite des Netzes musste die Bälle entsprechend zuspielen. Zwei weitere Herren sammelten für die Chefin Bälle. Bücken musste sie sich kein einziges Mal. Interessant auch, dass sich die Security mit Sharapovas Eintreffen sofort an den Eingängen postierte, während Li zuvor noch unbehelligt Bälle schlug. Es scheint also einen Unterschied zu geben zwischen Platz zwei und Platz fünf in der Weltrangliste.

Mit Interesse habe ich auch die Doppelmatches diese Woche verfolgt. Zwei deutsche Teams schafften es ins Halbfinale. Lisicki und Barthel holten letztlich sogar den Titel gegen Bethanie Mattek-Sands und Sania Mirza. Was auffällt: Serve & Volley kommt im Damendoppel so gut wie nicht vor. Eigentlich seltsam, könnten sich die Damen im Doppel doch das nötige Selbstvertrauen holen, um ihr Einzelspiel damit zu bereichern. Stattdessen gab es immer wieder lange Rallys zwischen den Spielerinnen an der Grundline, bis ein Ball zu mittig geriet und eine Netzspielerin dazwischen gehen konnte. Unterhaltsam war's trotzdem.



Siegten im Doppel: Sabine Lisicki und Mona Barthel.


Die Spielerinnen: Alle nett!

Ich genoss in Stuttgart diesmal das Privileg, die Pressekonferenzen der Spielerinnen verfolgen zu dürfen. Und was soll ich sagen: Alle Spielerinnen, die ich dort erlebt habe, erscheinen mir grundsympathisch. Andrea Petkovic ist noch einmal eine Klasse für sich. Sie ist derart offen und herzlich, dass man sie einfach mögen muss. Aber auch die anderen sind außnahmslos freundlich. Ivanovic wirkte etwas schüchtern, ihre Fed-Cup Kollegin, Jelena Jankovic, genoss es sichtlich, auf dem Podium zu sitzen. Von Diva keine Spur.

Sehr angenehm empfand ich auch Maria Sharapova. Sie wird ja oft als kühl, bisweilen sogar als arrogant beschrieben. Diesen Eindruck hatte ich überhaupt nicht. Ich empfand sie bei vielen ihrer Antworten sogar als ausgesprochen humorvoll. Auch für Autogramme nahm sie sich viel Zeit. Ein kleines Mädchen, das am Rande des Podiums auf eine Unterschrift wartete, holte sie spontan zu sich nach vorne. Das Mädchen schenkte ihr Schokolade und bekam von Maria ein Autogramm.

Meine Fragen hat sie ausführlich und mit großer Mühe beantwortet. Eine etwas längere Frage stellte ich ihr nach dem Halbfinale, bei dem ich den Eindruck hatte, dass sie mit ihren guten Returns auch ein Stück weit Kerbers Fehler erzwungen hat. Kerber musste stets einen zusätzlichen Schlag spielen und Sharapova wartete an der Grundlinie schon auf den Aufschlag auf ihre Rückhand. Jedenfalls dauerte meine Frage derart lang, dass Maria in großes Gelächter ausbrach und sich zu obenstehenden Satz hinreißen lies. Wenn sie mich als Coach hätte, wäre sie total verwirrt. "TMI" – Too much information.



Maria Sharapova: Professionell? Ja.
Arrogant? Nein.


Die Zukunft: Weiter so!

Im Allgemeinen soll das Turnier so bleiben wie es ist, hieß es auf der Abschluss-Pressekonferenz. Porsche möchte den familiären Charakter beibehalten und auch in Zukunft so viele Spielerinnen wie möglich aus den Top 20 nach Stuttgart locken. Dass es nicht viel zu verbessern gibt, zeigt einmal mehr die Auszeichnung, die das Turnier am Schlusstag erhielt. Der Porsche Tennis Grand Prix wurde von den Spielerinnen 2012 erneut zum besten Turnier auf der WTA-Tour gewählt. Mehr braucht man nicht sagen.

Auch als Fan wird man in Stuttgart bestens bedient. Show und Sport befinden sich in einem ausgewogenen Verhältnis. Neben der Porsche-Arena gibt es in der benachbarten Schleyer-Halle einen zusätzlichen Match-Court, auf dem beispielsweise die Partie von Ana Ivanovic gegen Nadia Petrova ausgetragen wurde. Es sagt viel über die Qualität einer Veranstaltung, wenn es solch ein Match nicht mal auf den Center-Court schafft.

Ebenfalls in der Schleyer-Halle befindet sich der Trainingscourt, der mitten in das Sport- & Lifestyle-Village eingebunden ist. Dort kann man den Stars beim Training zusehen oder an den Ständen um den Platz herum shoppen. Über dem Court befindet sich ein Restaurant, von dem aus man den Platz perfekt im Blick hat. Ich kann euch also nur empfehlen, den Porsche Tennis Grand Prix einmal zu besuchen. Für mich war es eine tolle Woche.


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